Der Ehrengast
Begleitung ihrer grauhaarigen Kammerzofe mit den Dauerwellen und einmal Frau Gandhi; und während er neben Vivien Bayley im Auto saß, wurde Bray sogar von Mweta persönlich aufgehalten. Die Kinder der Bayleys kletterten heraus auf das Dach und die Motorhaube des Wagens, um Mweta zuzujubeln, der in seiner orangenen Toga im Wagen saß – vorübergetragen wurde, auf dem Gesicht das blinde Lächeln, mit dem er schon jetzt, nach diesen paar Tagen, die Gesichter bedachte, die für ihn alle zu einem einzigen geworden waren. »Er ist prächtig, nicht wahr?« sagte Vivien traurig. »Unserer sieht am besten von allen aus.«
»Ich frage mich, ob er Spaß daran hat. Zweifellos macht er seine Sache so, wie wir es immer von ihm erwartet haben.«
»Was sagt er denn?« sagte sie.
»Ich habe noch nicht richtig mit ihm geredet – jedenfalls noch nirgends, wo man sich ernsthaft hätte unterhalten können.«
Wie gewöhnlich machte ein Verkehrspolizist das Schlußlicht des Begleitkonvois, fuhr auf der leeren Straße eine Acht, und der Verkehr mit seinem Hupen, das schwerfälligen und verstörten Fußgängern galt, setzte sich wieder in Bewegung. Die Kinder der Bayleys kämpften und strampelten wieder durch die Wagenfenster herein und zogen einander an den Beinen; schüchterne Negerkinder sahen zu, eins von ihnen kicherte nervös hinter dem Daumen in seinem Mund. Eine junge Frau schwang ihren Säugling auf den Rücken, zog das Tuch, in dem er steckte, enger und setzte ein Kleinkind auf den Gepäckträger ihres Fahrrades, bevor sie schlingernd losfuhr, wobei sie sich weiterhin schreiend undlachend mit einer Frau auf der Bordsteinkante unterhielt. Türme von Kartons, die von Schnüren zusammengehalten waren, wurden auf Köpfe geladen, größere Kinder trugen kleinere auf ihren Rücken, eine Gruppe von jungen Männern auf Fahrrädern stand müßig herum und diskutierte lautstark, während die Glocken von anderen Fahrrädern ungeduldig klingelten. Das Werbungsgetingel aus einem Transistorradio, das ein junger Mann im Gehen ganz nah am Ohr hielt, wurde lauter und verlor sich dann wieder in der Menge. »Ich möchte dem kleinen Mädchen meine Fahne schenken«, sagte Eliza Bayley. »Gut, dann mach aber fix. Nein – ihr anderen bleibt, wo ihr seid.«
Sie beobachteten das fette, kleine weiße Mädchen, wie es – gewöhnlich streitlustig, wenn unter seinesgleichen – hinaufging, so als bestiege es das Podium für eine Preisverleihung, und dem schwarzen Kind mit dem Daumen im Mund eines der kleinen dünnen Fähnchen überreichte, die in Japan gedruckt worden waren, damit sie noch rechtzeitig zu den Unabhängigkeitsfeiern auf dem Markt waren. Leute gingen oder glitten im Bogen am Hindernis des Wagens vorbei. »Macht es
ihnen
Spaß?« sagte Vivien. Eine Sportveranstaltung hatte stattgefunden, eine Polizeikapelle hatte gespielt, Schüler aus verschiedenen Schulen hatten ein Konzert gegeben, und außerdem hatte im Stadion der recht eigenartige Festumzug stattgefunden, der Stunden gedauert hatte. Stammestänze und Preislieder wechselten mit lebenden Bildern von Weißen mit einer Art Kaiserbart ab, die herrlich herausgeputzten Stammeshäuptlingen Brocken von Golderz zeigten; alles mußte neutral gehalten sein, um weder die Nachfahren Osebe Zunas II. dadurch zu verletzen, daß man sie daran erinnerte, wie der alte Mann die Schürfrechte für das Land um den Preis eines Zweispänners, wie ihn die Große Weiße Queen besaß, und gegen eine Zusage von zweihundert Pfund jährlich abgetreten hatte, noch die Briten, indem man sie daran erinnerte, daß sie – um diesen Preis – das ganze Land als Draufgabe dazubekommen hatten. Gymnasiastinnen, die in den Röcken ihrer Schuluniformen herumzappelten, und Kumpel mit Helmen auf dem Kopf bewegtensich mit ihrer Darstellung der Gegenwart auf einem weitaus weniger gefährlichen Terrain.
Bray und Vivien überlegten, wie wohl die Feierlichkeiten in den schwarzen Stadtgemeinden und Dörfern ablaufen mochten. »Bier? Ganze Fässer voll … gegrilltes Fleisch und ein Platz, der zum Tanzen freigemacht wird …« Vivien übertrug das reichliche Fließen von Wein und den europäischen Dorfplatz auf die hiesigen Verhältnisse. Im Heck des Wagens stritten die Kinder miteinander; das kleine Mädchen platzte schier vor Selbstherrlichkeit, weil es eine Fahne verschenkt hatte. »Mein Gott, wie wenig ich Eliza manchmal leiden kann«, sagte Vivien leise. Selbstzweifel, den er für die Unschuld intelligenter Menschen hielt,
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