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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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gewesen. Er bediente sich bei seinen Antworten auf Neils Fragen reichlich des Ausdrucks
bwana
– ganz entsprechend den Erwartungen eines Weißen, der wegen eines Schwarzen auf der Straße anhielt –, und als er dann zu Bray und dem Südafrikaner in den Wagen stieg, saß er inmitten all dieser schwarzen und weißen Städter, eingerollt wie ein Igel, der gerade berührt worden war. Bray, der also wieder in diesem Land war und dem die eigene Körpergröße und rosige Blässe wieder beinahe wie eine Aggression vorkam, für die er nichts konnte, wußte, daß der Bursche angestrengt versuchte, den Körperkontakt mit ihm zu vermeiden. Die Stimmen von Evelyn, Neil und dem Südafrikaner schwirrten durch den Wagen; sie fuhren an den Mangobäumen vorbei, deren Schatten im hellen Mondlicht wie schlafende wilde Tiere unter den Bäumen lagen; vorbei an einem Esel, der inmitten zerbrochenen Porzellans auf einem Müllhaufen graste, an einer Moschee, deren Farben man fast unterscheiden konnte, und an den silbrigglänzenden Schutzgittern der kunstvoll gebauten Häuser des indischen Sektors. Das Geschäftsviertel der Inder war schon vor langer Zeit und ohne Plan angelegt worden; Geschäfte schossen plötzlich aus dem Boden, Straßen liefen zusammen, der Wagen schaukelte und schlingerte dahin. Alles war von jetzt schon schmutzigen Fahnen und Flaggen verhängt, dunkel und menschenleer, bis auf die Bars – kleine Läden, aus denen schmutzig-grelles Licht, die Musik der Automaten und ein Schwall menschlicher Stimmen und Bewegungen drangen.
    Für den Fall, daß die anderen Partygäste auftauchen sollten, bot sich Bray an, vor dem Sputnik zu warten. Zehn oder fünfzehn Minuten schlenderte er auf der Straße herum, deren undeutlicheBegrenzungslinie eher durch Füße und Fahrradreifen gezogen worden war als durch den Teerstreifen, den der weiße Stadtrat vergangener Zeiten als ausreichend erachtet hatte. Die Betonveranden der indischen Läden waren Uferkais im Staub; überall lagen die heruntergekehrten Stoffschnipsel herum – es waren die Stellen, an denen die schwarzen Angestellten der Inder tagsüber an ihren Nähmaschinen saßen. Die Fensterläden und Säulen waren mit Klebeetiketten bepflastert, auf denen die Fahne und Mweta in einer Toga abgebildet waren. Junge Burschen, die oberhalb des schwarzen Anstrichs, in dem der Vordereingang der Sputnik-Bar unsichtbar verschwand, herabspähten, zupften an den Etiketten auf dem schmierigen Glas und kicherten über Bray. Der Eingang war ständig blockiert von wirr blickenden Männern, die herauskamen, und von Unentschlossenen, die einen Blick hineinwarfen.
    Wie verworren unsere Vergnügungen sind, dachte er und ging langsam wieder die Straße hinauf, vorbei an einem Mann, der nicht weiter als bis zu den ineinander verkeilten Fahrrädern gekommen war und nun ausgestreckt im warmen Staub lag. Das Niveau der unbefestigten Straße hatte sich durch ihre Benutzung so tief unter die Veranda eines Ladens gesenkt, daß die betonierte Plattform hoch genug war, um auf ihr zu sitzen. Der aus der Bar dringende Lärm war gesellig, Bestätigung dafür, daß in dem Haus Leben war, und er rauchte eine Zigarre, deren köstliches, nach Holz duftendes Aroma er in eine Luft blies, die von den alten Gerüchen der Feuchtigkeit getränkt war – von Urin und verfaulenden Früchten. Nach zehn Jahren war das Licht der Stadt noch immer nicht stark genug, um den Himmel aufzuhellen; keine Stadt im Umkreis von Tausenden von Meilen hatte die dafür nötige Größe. Schnüre und Klümpchen von leuchtenden Sternen liefen zusammen; er schaute und schaute, bis er schwindlig wurde. Der Wagen der Bayleys kam zurück, und sie beschlossen, die Hoffnung, die restliche Gesellschaft würde doch noch kommen, aufzugeben, und sich schnell noch ein Bier zu genehmigen, bevor sie nach Hause fuhren, um schlafen zu gehen. Der alte Teil der Bar,ein Laden, dessen Einrichtung aus Bänken und roh gezimmerten Speisehaustischen bestand, war überfüllt mit Stammgästen aus der Nachbarschaft, die über dem Eingeborenenbier saßen und vom ohrenbetäubenden Lärm der Kapelle, die in einen Winkel gedrängt worden war, keinerlei Notiz nahmen. Im neueröffneten Biergarten – einem mehr oder weniger freigemachten Hof (die überlaufenden Abfallkübel standen noch herum), der mit ein paar bunten Tischen und Sonnenschirmen ausgestattet worden war – saßen ein paar bürgerliche Schwarze in weiblicher Begleitung, und ein oder zwei Paare tanzten; Evelyn Odara

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