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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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winkte einem Bekannten zu. Hier wurde europäisches Flaschenbier getrunken. Neil hatte überall Freunde und machte sich auf die Suche nach dem Eigentümer, einem hübschen jungen Schwarzen, dem die Besitzgier ins Gesicht geschrieben war und der nur so übersprudelte von Plänen, wie man zu Geld kam. Er setzte sich zu ihnen und brachte – als Antwort auf Neils beharrliche Behauptung, daß es sie tatsächlich gäbe, und sein ebenso hartnäckiges Leugnen – drei seiner »Mädchen« heran, die ihnen Gesellschaft leisteten. »Sie tun den Kleinen damit einen Gefallen. Genau um diese Zeit macht die Polizei hier ihre Runde und schaut herein, und eigentlich dürfen sie ohne Begleitung gar nicht hier sein, verstehen Sie – diese Stadt ist rückständig, Mann.« Mit den Mädchen kam das Bier. »Nein, lassen Sie das, ist mir ein Vergnügen, Sie und Ihre Freunde in meinem bescheidenen Lokal zu haben. Natürlich ist noch nicht alles fix und fertig … wir wollten hier für ein bißchen Nachtleben während der Unabhängigkeitsfeiern sorgen. Allein die Kapelle kostet mich zwanzig Pfund am Abend, aber eines Tages wird das eine piekfeine Bar, mit Whisky und mit Eis für die Drinks, alles tipptopp … für die Crème der Geschäftsleute aus der Stadt, verstehen Sie.«
    Die drei Frauen waren auf billige Weise schick – schimmernde Nylonstrümpfe, die hauteng über stramme, dunkelhäutige Beine gezogen waren. Sie hatten das eher sympathische glucksende Vergnügen der Neulinge daran, für ihren Auftritt kostümiert zu sein. Sie waren hübsch, hatten entkrauste Locken, angemalteAugen und purpurne Lippen. Aber die eingefärbten elektrischen Birnen, die in Leuchtschrift UNABHÄNGIGKEIT – HURRA buchstabieren sollten, waren wegen des Regens durchgebrannt und funktionierten nicht.
     
    Es stimmte, daß Edward Shinza sich nicht in der Hauptstadt aufhielt; dachte man daran, was in der Vergangenheit geschehen war, so hätte nichts auffälliger sein können als diese Abwesenheit. Für Bray selbst war es eine Abwesenheit, die immer irgendwie gegenwärtig war.

 
     
    DIE NÄCHTLICHEN HEIMFAHRTEN über die unbefestigte Straße zu Dandos Haus wurden immer wieder vom tödlichen Aufprall der Ziegenmelker unterbrochen, die stumpfsinnig in der Fahrspur des Wagens hockten und dann zu spät aufflogen, um zu entfliehen, ganz so, wie sie es auf den Straßen Galas getan hatten. Bei Tageslicht wurden ihre gebrochenen Körper langsam von den über sie hinweg- und wieder zurückrollenden Autoreifen in den Staub gebügelt. Er und Olivia hatten über die Vogelwelt in und um Gala Buch geführt; der Gedanke, daß man sich – da es sich doch nicht vermeiden ließ, diese Vögel in der Dunkelheit zu töten – allmählich daran gewöhnte, so daß der Aufschlag ihrer Körper am Wagen so unbemerkt blieb wie der Aufprall des harten Rückenschildes von Käfern auf der Windschutzscheibe, hatte sie irritiert. Man nahm nicht einmal mehr wahr, daß die toten Vögel mit ihrem rostrot und schwarz gezeichneten Gefieder schön waren. Eines Sommers hatten sie sich vorgenommen, eine Untersuchung über die Gewohnheiten der Ziegenmelker anzustellen, um herauszufinden, weshalb sie sich so von den Straßen angezogen fühlten; sie waren zu dem Ergebnis gekommen, daß Läuse unter ihren Flügeln sie dazu veranlaßten, Staubbäder auf den Straßen zu suchen. Ja, sie hatten Afrika damals studiert und das genossen – trotz seiner Beschäftigung mit der Politik.
    Während der Woche der Unabhängigkeitsfeiern war es schwer, in die Stadt zu kommen, ohne irgendwo aufgehalten zu werden, weil diesem oder jenem Würdenträger Vorrang eingeräumt und die Straße für ihn freigemacht wurde. Verkehrspolizisten mit weißen Stulpenhandschuhen zogen surrend auf ihren Motorrädern Arabesken, Soldaten in gut gebügelten Khakiuniformen blockierten die Straße und hielten Kinder, Frauen, Müßiggänger und Radfahrer auf; manchmal kam eine dudelnde und leiseschmetternde Kapelle als Vorhut, und immer und überall sah man Fahnen. Dann kam der Daimler oder Mercedes mit dem Präsidenten von da oder dem Ministerpräsidenten von dort tief im Wageninneren; oft wurde einem erst, wenn der Wagen schon wieder verschwunden war, klar, wer es gewesen sein mußte, die gewichtigste Persönlichkeit unter den vielen, schwarzen, bebrillten Gesichtern, die aus der immer gleichermaßen makellosen Garderobe, den dunklen Anzügen und weißen Hemdkragen aufragten. Einmal war es die Königliche Hoheit aus England in

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