Der Ehrengast
für einen Einführungskurs in die Probleme des Wirtschaftsmanagements gemacht. »Sie sprechen nicht zufälligerweise Portugiesisch? Die Burschen aus Sambia haben uns einen Trupp Frelimoleute aufgehalst« – Raven war fast ein wenig begeistert angesichts dieses Dilemmas. Der FAO -Mann bot sich an, Bray die Musterfarm zu zeigen, die er im Süden aufbaute. »Wenn ich noch da bin, fahr ich gerne mit Ihnen hin.«
Er folgte Dando, der oben an der Bar saß und mit seinemFreund Coningsby, dem Manager, über die österreichisch-ungarische Monarchie und die Persönlichkeit Franz Josephs stritt. Dando pflegte über jeden Gesprächsgegenstand besser informiert zu sein als derjenige, der ihn aufs Tapet gebracht hatte, und da es hier wenig gab, was ihn intellektuell stimulierte, genoß er seinen Vorsprung voll Ingrimm; das war, wie Bray bewußt wurde, das Schicksal von Männern, die in einem kleinen Kreis lebten und viel lasen. Die Buschmentalität war nicht das, wofür die Leute sie hielten; sie konnte die Gestalt eines brennenden Verlangens annehmen, jemandem – irgendwem, einem Lastwagenfahrer, dem Distriktsveterinär – auseinanderzusetzen, wie der Gemeinsame Markt funktionierte oder was es mit den Theorien Wittgensteins auf sich hatte.
Bray fand Barhocker prinzipiell unbequem – er war zu groß, als daß er sich darauf hätte breitmachen können, ohne an jemandes Schultern oder Knie zu stoßen –, und am wohlsten fühlte er sich, wenn er einen Ellbogen auf den Tresen stützte und sich dem Raum zuwandte. Er trank Whisky und beobachtete dabei die anderen. Es war ein Tagtraum aus der Vergangenheit, dessen Ungereimtheiten ihn zu einem der Gegenwart machten. Eine kleine Gruppe von Weißen, die zum Dinner ausgegangen waren, kam herein, frisch frisiert, die Gesichter behaglich und glänzend von einer zweiten Rasur. Gelächter – jenes von weltlicher Art, das unter gutsitzenden Anzügen stille Lachkrämpfe verursacht – erschütterte eine Gruppe von drei Weißen, die weiter oben am Tresen saßen, während sie sich gegenseitig mit einem »Moment mal, Moment mal …« unterbrachen, um ihrer Anekdote noch eine Wendung zu geben, die sie abermals losplatzen ließ. Ein Schwarzer in einem amerikanischen Jackett mit Schottenmuster unterhielt sich mit einem anderen in einem dunkelblauen Anzug, ohne ihn anzusehen und mit seinen Gedanken ganz woanders. Orangefarbene Fingernägel zerteilten Kaschunüsse; eine Frau, die jedermann mit »Sweetie« anredete, beschwerte sich darüber, daß in ihrem Martini keine Olive war, und beschwerte sich abermals, als man den Barmann deshalbzur Rede stellte. Zwei weitere Schwarze kamen herein und blickten über die Köpfe hinweg, verschwörerisch und hochmütig, entdeckten den erhobenen Finger des Mannes im gewürfelten Jackett und befleißigten sich dann jener herzhaften Förmlichkeiten des Händeschüttelns und Schulterklopfens, über die sich ihre weißen Geschlechtsgenossen einander früher augenzwinkernd lustig gemacht hätten, während sie jetzt in ihren Augen vorübergehend einen abwesenden Ausdruck hervorriefen.
Die Gesellschaft mit den Damen diente offenbar dem Zweck, einen jungen Mann von außerhalb der Stadt zu unterhalten, dem sie allesamt mit einer Hingerissenheit zuhörten, wie sie einem großen Geist oder Fachmann zukam. Er war das, was man sich unter einem Gardeoffizier vorstellt, vielleicht sogar zu sehr, als daß er es tatsächlich hätte sein können. Und er war auch nicht jung genug dafür; langes, seidiges Haar, das oben spärlicher wurde, schmückte den schmalen, hübschen, hinten abgeflachten Kopf über den breiten Schultern, und wenn er lächelte, sah man die knöchelweißen Zähne. Wenn er zum Ausdruck bringen wollte, daß er ärgerlich war, oder wenn er zu einem Lachen ansetzte, zog er auf eine eigentümliche Art seine Nasenflügel hinunter und die Luft geräuschvoll durch sie auf. Seine Freunde fanden das sicher unwiderstehlich. Und dabei bediente er sich einer Diktion, die – wenigstens innerhalb Englands – nicht mehr gebräuchlich war. Wahrscheinlichste Erklärung dafür war, daß er unter irgendeinem Regisseur, der alt genug war, sich Noël Coward zum Vorbild zu nehmen, an Amateuraufführungen mitgewirkt haben mußte. Laientheater war bei den Staatsbeamten und Siedlern populär gewesen; sogar Olivia war einmal in einem jener verstaubten Schauerstücke aufgetreten, die in Lord Sowiesos Landhaus spielten.
»… Ach Gott ja, ihr Vater sieht auch zu, daß er schnurstracks
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