Der Ehrengast
körperlich greifbaren Atmosphäre, die zwischen ihm und Shinza und diesen Männern aufgekommen war, herauszutreten. Sie unterhielten sich bis spät in die Nacht: die Gewerkschaften, Vietnam, der Krieg in Nigeria, die Rolle der Araber in Afrika, Wilsons Versagen in Afrika und Nixons Abkühlung gegenüber Afrikas von Weißen dominierten Staaten; und wieder über die Gewerkschaften. Im Lauf der Jahre hatte er sich erlaubt zu vergessen, wie überlegen Shinzas Intellekt war. Wie er da in diesem vom Schweiß ihrer Körper, den letzten Überresten ihrer Biere und dem stechend bitter nach Zigarettenkippen riechenden Raum lag, und wie er diesen Mann hörte, wie er schnaubte und sich, in der gewohnten ungenierten Hinnahme seiner selbst und seines Schlafes, auf dem billigen Eisenbett umdrehte, da dachte Bray, was für ein bemerkenswerter Mann er war – wie die vielen anderen bemerkenswerten Männer dieses Kontinents, die schließlich tot in einem Graben geendet waren. Wonach die Schwarzen die Weißen beschuldigten, weil sie die Machtverhältnisse auf einem Kontinent manipulierten, den sie nie wirklich verlassen hatten; während die Weißen die Schuld auf die Stammesrivalitäten und auf die Einmischung des Ostens schoben (sofern sie selbst aus dem Westen kamen), oder des Westens (wenn sie aus dem Ostblock stammten). Die bemerkenswerten Männer redeten vom Sozialismus und vom Mann auf der Straße oder von Ruhm und messianischer Größe und gaben ihr Leben für Kupfer, Uran oder Öl. Auch Mweta gehörte zu ihnen. Mweta und Shinza. Für ihn – Bray – hatten sie Mweta bereits erledigt. Im politischen Jargon lautete die Phrase: »Er hat dem Druck nicht standgehalten«; es hat ihn erledigt, den Mweta, wieich ihn kannte. Schwer zu sagen, wie Shinza es machen würde, unter einem Druck anderer Art (aber umbringen könnte ich ihn nicht, log er; und hab ich gelogen, als ich es akzeptierte?).
Ob in England oder am Ende der Welt.
Er dachte, er sei noch nicht eingeschlafen, mußte es aber wohl, denn die Worte blieben da hängen.
EIN MANN saß bei Rebecca im Wohnzimmer. Der Raum war verdunkelt, um die Hitze abzuhalten.
Aber Hjalmar Wentz war doch im Silver Rhino; in der Hauptstadt!
Wentz und Rebecca saßen tief in den alten verstellbaren, durchhängenden Lehnstühlen zu beiden Seiten des leeren Kamins, jeder in Schweigen versunken und unfähig, dem anderen die eigene Gegenwart zu erklären. Die Verlegenheit war derart groß, daß keiner der beiden aufzustehen vermochte.
»Sie sind’s, Hjalmar! Was machen Sie denn hier!« Er löste ihren Bann, während ihm Rebeccas Augen einen komplizierten, qualvollen Schmerz signalisierten, ihn warnten, weiß der Himmel, wovor, und Hjalmar unter einem schmerzlichen Lächeln sagte: »Aber Sie haben mich doch aufgefordert zu kommen, vielleicht erinnern Sie sich noch …?«
Die Tatsache, daß ihm seine leere Begrüßungsfloskel als Protest ausgelegt wurde, warnte ihn eindringlicher als Rebeccas Augen. »Ich hätte bloß nie geglaubt, daß es mir gelingen würde, Sie hier herauf zu kriegen, egal, wie sehr ich mich bemühe … das ist ja großartig … wann sind Sie denn angekommen … sind Sie« – aber wieder war da dieses Signal in ihren Augen, die jetzt vor Anstrengung ganz gelb waren – »… sind Sie die ganze Strecke herauf selbst gefahren?«
Eine zittrige Geste – ein verräterisch zuckendes Lächeln und der Versuch, witzig zu sein: »Fragen Sie mich nicht, wie – aber auf alle Fälle bin ich jetzt da. Und Rebecca hat mir ein feines Mittagessen serviert.«
»Ist ja großartig, ich war einfach baff … hab’s nicht glauben können. Ich war weg, um ein paar Schulen abzuklappern … hab den ganzen Tag nur Staub gefressen. Muß jetzt unbedingt unter die Dusche – war’s sehr stürmisch hier, heute nacht?« Sieredeten über das Wetter. »Nun, zuerst einmal einen Schluck Tee und danach ab ins Bad. Den Staub runter- anstatt abspülen … haben Sie Ihr Zeug drinnen, und hat Kalimo sich um Sie gekümmert?«
»Ja, ja – Rebecca hat mir ein wunderbares Mittagessen gebracht. Avocados, frisch vom Baum und so weiter, erstklassiger Service!« Seine Stimme schien gleichsam von selbst aus dem starren blonden Gesicht aufzusteigen. Bray und das Mädchen standen um ihn herum, als wären sie Zeugen eines Unfalls. Sie sagte: »Ich muß loslaufen.« »Grüß Aleke von mir«, sagte Bray, folgte ihr aber unter dem Vorwand, Tee zu bestellen, auf dem Umweg über die Küche hinaus in den Garten.
Sie
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