Der Ehrengast
einmischte, das nichts für fremde Augen war. Der Mann wanderte im Zimmer auf und ab, das Jackett hochgezogen und zerknautscht über seinen Schultern; er stockte in plötzlicher Ziellosigkeit. »Sie war mit mir im Lagerraum unten, und wir haben unter all dem Gerümpel nach den Wasserskiern gesucht. Sie fragte mich, ob ich es denn nie ausprobiert hätte, und ich antwortete ihr, daß es das zu meiner Jugendzeit noch nicht gegeben habe, und sie sagte, aber im Schnee bist du doch immer recht ordentlich Ski gefahren, und man braucht dafür dieselben Muskeln – sie sagte, eines Tages müsse ich es einfach versuchen. Sie sagte, wenn alles so an einem vorüberflitzt, dann fühlt man sich mächtig, man hat das Gefühl, daß man alles kann, was man will.« Er schüttelte heftig den Kopf, um weiterreden zu können. »Sie ist tatsächlich mit mir die Wasserski holen gegangen.«
Bray setzte sich auf den Hocker, dessen Sitzfläche die Jungenaus der Tischlerei für ihn aus in Streifen geschnittenem Kuhleder hergestellt hatten. Ihm blieb nichts als Geduld anzubieten.
»Ich hab zu ihr gesagt, genau das Gefühl hätte ich in Österreich dabei gehabt. Komischerweise war es Wort für Wort der gleiche Gedanke. Und sie ging dann mit den Skiern auf ihr Zimmer, und ich hab sie nie wiedergesehen. Ich mußte in die Stadt ins Tiefkühllager, und als ich zurückkam, sagte man mir, sie sei schon unterwegs nach Matinga.«
»Sie haben sie gar nicht mehr gesehen?«
Er wurde ganz aufgeregt. »Ich meine, wir erwarteten sie für Sonntag nacht zurück, irgendwann, mehr nicht, wir haben uns nichts dabei gedacht … Und dann, am Sonntag, während ich mich gerade darum kümmere, daß die Stühle in den Garten hinausgestellt werden, da kommt Timon herauf und sagt, daß da ein Telefongespräch für mich sei. Nun, verstehen Sie … ich antwortete, soll’s doch wer anders übernehmen, kannst du das denn nicht. Und da sagte er, es kommt aus Daressalam, es ist Miss Emmanuelle. Darauf erklär ich ihm: Daressalam! Aus Matinga kommt das! Ich hab mir deswegen überhaupt nicht den Kopf zerbrochen, weil ich annahm, daß sie noch eine Nacht bleiben wollte.«
»Aus Daressalam hat sie Sie angerufen?«
»Vom Flughafen aus. Zuerst hab ich es ihr nicht geglaubt. Sie hat immer wieder nur gesagt, schau, Ras und ich, wir sind in Daressalam, in ein paar Minuten fliegen wir ab nach London. Sie konnte mich nicht gut verstehen. Ich schrie hinein, aber du kannst doch hier mit ihm leben, Emmanuelle. Du brauchst doch nicht wegzulaufen. Da wurde sie wütend. Sie sagte, ob ich denn nicht kapiere, daß sie doch nicht verrückt sei – genau so hat sie sich ausgedrückt –, daß sie doch nicht verrückt sei. Ras wäre in großer Gefahr und hätte unmöglich bleiben können. Das hat sie gesagt.«
»Und die Rundfunkmeldung?«
Hjalmar saß, in sich zusammengesunken, in seinem Stuhl. »Nun, in diesem Augenblick wurden wir getrennt. Ich telefonierte,versuchte von hier aus eine Verbindung zu kriegen … und als wir endlich nach Daressalam durchkamen, waren sie schon weg. Margot wollte es nicht glauben, ständig mußte ich es ihr wiederholen, alles, was ich Ihnen jetzt erzählt habe … Sie kriegte einen hysterischen Anfall, weshalb ich sie denn nicht an den Apparat gerufen hätte. Und dann hörte Stephen in den Nachrichten, daß Asahe zusammen mit einem weißen Mädchen und so weiter – alles ohne Namen – heimlich aus dem Land geflohen sei. Nur zwei Meilen von der Stelle entfernt, wo wir im Hotel saßen, müssen sie am Nachmittag auf unserm Flughafen gewesen sein, um auf das Flugzeug zu warten. Es heißt, daß er in irgendwelche politischen Schwierigkeiten verwickelt war. Haben Sie eine Vorstellung, warum er in politischen Schwierigkeiten gesteckt haben soll?«
Bray hatte nur darauf gewartet, Hjalmar auf vernünftige Annahmen zu lenken. »Hjalmar, ehrlich, wann immer wir uns miteinander unterhalten haben, er hat mir immer den Eindruck gemacht, als würde er alles strikt unterstützen, wozu sich die Regierung einmal entschlossen hatte. Vielleicht stand er persönlich unter irgendeinem Druck, in seiner Arbeit …? Aber auch angenommen, jemand hätte versucht, ihn aus seiner Position im Rundfunk herauszudrängen, deshalb würde er doch auch nicht aus dem Land verschwinden müssen, oder?«
»Ich bin zur Polizei gegangen.« Er zuckte die Achseln. »Ich hab versucht, Roly zu erreichen, er war aber nicht in der Stadt, es war unmöglich … sie sagt immer nur, ich möchte es wissen,
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