Der Ehrengast
oder?«
»Korruption?«
»Einmischung der Regierung. Ist dasselbe. Und deshalb hab ich gedacht, warum bringen wir nicht jemanden – irgendeine Autorität – herein, die das deutlich macht? Und zwar ohne, im politischen Sinn, Partei zu ergreifen. Die Meinung von irgendwem dazu, die dann keiner umdrehen kann, um zu behaupten … Nun, während wir hier weitermachen, dachte ich, könntest du eine kleine Reise machen, James, die Familie besuchen …« Er streckte sich und machte eine Handbewegung, die andeuten sollte: ›irgendwas in dieser Richtung‹ – »Du könntest, sagen wir, über die Schweiz fahren; eine Menge Flugzeuge machen dort Zwischenlandung, oder?«
Für einen idiotischen Augenblick bezog er das auf das Geld in einer Bank.
»Weiter.«
»Ach, nichts furchtbar Aufregendes, nichts besonders Schwieriges … du könntest zur ILO gehen und dich erkundigen, ob sie nicht jemanden schicken wollen – einen Beobachter, eine Untersuchungskommission – irgendwen, der sich Einblick in die Lage der Gewerkschaften hier verschafft … was meinst du?«
Es war seine Art, zuerst die praktischen Aspekte zu bedenken und andere Reaktionen zurückzuhalten, bis diese genau überlegt waren. »Sollte die ILO tatsächlich zustimmen, dann vergiß nicht, daß es keinerlei Garantie dafür gibt, daß eine solche Delegation auch hereingelassen würde. Wenn ich mich recht erinnere, diegleiche Sache gab’s – in Tunesien, nicht wahr? –, und da hat sich die Regierung geweigert. Natürlich wäre es für Mweta unangenehm, nein zu sagen, ein Mann wie er, der den Ruf hat, vernünftig zu sein, aber … Und außerdem müßte man der ILO einen ordentlichen Bericht vorlegen …«
»Oh, für so was hat Goma sämtliche Unterlagen«, sagte Basil Nwanga, und Shinza fügte hinzu: »Das haben wir schnell zusammen, kein Problem.«
»Und unter welcher Autorität sollte ich das tun?« Logische Überlegungen waren nichts als der Versuch, Zeit zu gewinnen; sie wurden von den anderen schnell eingeholt. »Ex-Staatsbeamter und Betriebsnudel? Bester-Freund-des-schwarzen-Mannes?« Und als sie alle lachten: »Politischer Söldner?« Basil Nwangas Lachen wurde zu einem tiefen, fröhlichen Glucksen, zu dem er sich auf die Schenkel schlug. »Ja, das ist’s, das ist vielleicht die genaueste Definition, die wir für mich finden können …«
»Oh, du wirst schon richtig ausgestattet werden«, sagte Shinza unbestimmt, leichthin.
»Ich bräuchte eine Legitimation. Zumindest müßte ich nachweisen können, daß ich auf Ersuchen einer ziemlich repräsentativen Gruppierung innerhalb der Gewerkschaften komme – und selbst dann würde es noch über den Kopf des UTUC hinweg geschehen …«
»Das kriegen wir alles hin, das machen wir schon«, Shinza setzte sich darüber hinweg. »Das ist nichts. Das ist leicht. Überhaupt kein Problem.«
Er hatte den sonderbaren Eindruck, daß dies die gedankenlose Wiederholung einer Bestätigung von etwas sei, das seinen Zweck bereits erfüllt hatte und nun nicht mehr besonders interessant oder bedeutungsvoll war. In ziemlicher Härte sagte er zu Shinza:
»Du sagst, du machst hier weiter?«
»Ja, darüber will ich mit dir reden.« Shinza schlug nach den Fliegen, die sich immer wieder auf seine zierlichen afrikanischen Ohren setzten, erwischte eine und blickte angewidert auf den Flecken von Blut und Brei auf seiner Hand. Er riß von derMorgenzeitung, die Bray mitgebracht hatte, einen Streifen ab und wischte seine Handfläche ab, während er weiterredete. »Wir wissen jetzt, daß wir Freunde in der Partei haben, ebenso wie in der Gewerkschaft. Wir müssen den Kontakt aufrechterhalten und zusammenhalten.«
»Offen?«
Shinza knöpfte langsam sein Hemd auf. »So weit, wie das möglich ist.«
»Was nicht sehr weit ist, oder?«
Die Falten unter Shinzas Brust waren glänzende Linien aus Schweiß, und mit einer Hand strich er sich über das Haar und die Brustwarzen. »Oh, da bin ich mir nicht so sicher. Man kann zwar ein paar Gewerkschafter ins Gefängnis stecken, aber man kann nicht die gesamte Arbeiterschaft einsperren.« Wieder und wieder strich er sich über das Fleisch.
»Aber du und Goma und Nwanga, ihr würdet das nicht lange mitmachen.«
Shinza streichelte seine entblößte, verletzliche Brust.
»Goma und Basil haben ihre Abgeordnetensitze im Parlament, die werden sie ein wenig schützen – und ich werd mich schwer auffindbar machen müssen.«
»Bis du beim Kongreß aufgetaucht bist, warst du’s schon, oder? Aber
Weitere Kostenlose Bücher