Der Ehrengast
wartete auf ihn. »Das ist schrecklich – du hast nicht zufällig Radio gehört? – Ras Asahe ist aus dem Land geflohen. Emmanuelle ist mit ihm gegangen.«
»Warum sollte Ras das tun? Bist du
sicher
? Hat er …«
»Hat bloß Emmanuelle erwähnt. ›Vermutlich wissen Sie schon, daß Emmanuelle weg ist‹, hat er zu mir gesagt, aber ich hatte Angst davor, ihn zu fragen, ich hatte Angst, er würde die Nerven verlieren. Oh, mein Gott, ich dachte schon, du kommst nie mehr. Ich hab im
boma
angerufen und gesagt, daß ich heute nicht mehr kommen kann, weil ich mich nicht wohl fühle oder so was. Ich konnte ihn nicht allein lassen. Ich weiß nicht, was passiert ist … mit ihnen. Margot erwähnt er überhaupt nicht. ›Emmanuelle ist fort‹ – mehr nicht. Und dann saßen wir bloß da und hatten uns nichts zu sagen, ich weiß nicht, was für einen Reim er sich darauf macht, daß er mich im Haus gefunden hat, so als ob’s mir gehört. Naja – im Augenblick nimmt er, glaub ich, überhaupt nichts wahr. Aber weshalb kommt er denn
hierher
? Warum zu dir?«
»Oh, mein Liebling … es tut mir leid … mach dir keine Sorgen.« Er strich ihr das Haar hinter die Ohren zurück – jetzt, wo es gewachsen war, war sie so hübsch. Es verlangte ihn danach, sie zu küssen, und während er es tat, ohne sich darum zu kümmern, daß Kalimo herausgekommen war und Teeblätter auf denKompost warf, spürte er den ganzen warmen Körper jene Form ausfüllen, die er für ihn in sich bereithielt.
»Wie lang wird er bleiben?«
»Liebling, mach dir keine Sorgen.«
»Jetzt kann ich heute nacht nicht herkommen.« In ihrem Elend drückte sie ihr Becken fest gegen ihn. »Verdammte Sauerei. Ach, komm doch, warum denn nicht. Wir geben einfach keine Erklärungen ab, und damit hat sich’s.«
»Ja, ja – ach, warum mußte er sich unbedingt diesen Ort aussuchen, warum konnte er denn nicht woanders hinfahren.«
»Ist schon in Ordnung, ist schon in Ordnung.« Er streichelte ihr Haar, als wäre es irgendein köstliches, neues Gewebe, das er noch nie zuvor zwischen seinen Fingern gespürt hatte.
»Würdest du jetzt gern mit mir schlafen?«
»Natürlich.«
»Verdammt soll er sein«, sagte sie. Sie hielten einander in Abwehr ihres eigenen Grolls umschlungen.
Er begleitete sie bis zum Wagen und strich ihr dabei übers Haar. Als sie den Motor startete, strahlte ihr Gesicht von einem Lächeln reinsten Glücks. »Also, ich komm.« Er nickte wild mit dem Kopf. Einen Augenblick lang blieb sie noch bei ihm: »Dir klebt noch der Staub in jeder einzelnen Gesichtsfalte.« Er verstand, was sie meinte. »Ich weiß, mein Liebling.«
Und da wartete der Mann und sein Unglück auf ihn.
Bray ging zu ihm hinein.
Wie er so dastand, war er sich seiner Größe bewußt, dieser schweren, gesunden, muskulösen Körpermasse – seiner Unversehrtheit; es war, als schuldete er für sie eine Erklärung, als wäre sie ein Affront. Aus der Tasche seiner Buschjacke zog er eine Packung Zigaretten und hielt sie Hjalmar hin, bevor er selbst eine herausnahm.
»Hat irgendwer eine Ahnung, aus welchem Grund Asahe das nun getan hat?« sagte er.
Ein Lebenszeichen zuckte in dem abgehärmten, blonden Gesicht auf. »Er war Mittwoch abend im Hotel – sie stürmte hereinund sagte, sie gehe auf eine Stunde weg. Es war wohl schon sehr spät, als sie wieder heimkam – muß es gewesen sein, denn als ich mit dem Aufräumen fertig war und schlafen ging, war sie noch immer nicht da. Dann, am Donnerstag, hat man mir gesagt, da hat sie ein paar Kleider in die Reinigung gebracht und darauf bestanden, daß sie noch am selben Tag fertig sein müßten. Und offenbar bat sie dann Timon – den Oberkellner, wissen Sie – er hatte seinen freien Tag, und sie bat ihn, die Kleider auf dem Rückweg aus der Stadt abzuholen. Sie wollte nicht, daß ihre Mutter davon erfuhr, verstehen Sie – also muß sie sich da schon entschlossen haben … Am Freitag war sie völlig normal, völlig normal, nichts … und am Nachmittag sagte sie dann, sie wolle mit ein paar Freunden übers Wochenende nach Matinga fahren, zum Staudamm. Sie ist sogar zu mir ins Büro gekommen, um mich zu bitten, ihr die Wasserski aus dem Lagerraum zu holen. Ist das noch zu glauben?« Wieder wich jeder Ausdruck aus seinem Gesicht. Unvermittelt erhob er sich, kämpfte sich aber so mühsam aus dem Stuhl hoch, daß Bray das Verlangen, seine Hände auszustrecken und ihm zu helfen, niederkämpfen mußte, so wie man sich nicht in etwas Privates
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