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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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oder saßen trinkend Männer herum. Auf dem offenen Gelände vor einem dieser Läden stand ein strohgedeckter Unterstand ohne Seitenwände, in dem über glühender Holzkohle große Trommeln angebracht waren. Bray hielt seinen Wagen dort an, gerade als die Musiker eine Pause machten; ein kleiner Junge betätigte einen Blasebalg aus Ziegenhaut, um die Kohle, mit der die Felle der Trommeln gestrafft wurden, zum Glühen zu bringen. Nur aufeiner einzigen Trommel wurde weiterhin ein dumpfer Rhythmus geschlagen, so daß ein Einstieg zu jeder Zeit und an jeder Stelle möglich war. Dieser dumpfe Unterton drang leise stampfend durch das Geschnatter rundherum und durch den Jazz hindurch. Bray saß bloß inmitten von all dem in seinem Wagen da. Babys rissen sich los und stolperten auf die Lichtung hinaus, verfolgt und schwungvoll aufgenommen von älteren Kindern. Andere schrien oder wurden gerade gestillt. Die Frauen waren in Gespräche vertieft und blickten, immer ein wachsames Auge auf den Kindern, herum, aber sie hatten die lächelnde Zufriedenheit von Frauen, die ihren Männern zusahen. Ein paar Männer tranken, andere standen beisammen, abseits vom Zentrum ihrer Aktivitäten. Jemand bestieg sein Fahrrad und fuhr weg; ein anderer kam an. Dem gedämpften Trommelschlag leistete ein plötzlich einsetzender, lauterer Schlag, der von einer anderen Trommel herüberdrang, Gesellschaft; der Trommler, der sein Ohr nahe an sie hielt, war mit der Resonanz nicht zufrieden, und der kontrapunktische Schlag verebbte. Die Trommler waren von ihrer Beschäftigung mit den Trommeln ganz beansprucht, weshalb sie weder redeten noch zu den Trinkenden oder sonst jemandem hinüberblickten. Wie Puder lag auf ihren Gesichtern und Haaren der Staub. Sie riefen den Jungen herbei, und schon fuhren seine kräftigen, spitzen Ellbogen über den Blasebälgen hin und her; in der Holzkohle öffneten und schlossen sich rote Augen. Aber mit dem kontrapunktischen Zwischenspiel der zweiten Trommel, das kurz eingesetzt hatte und wieder verebbt war, hatte ein Mann in mittleren Jahren, an den Hosen Fahrradklammern, angefangen, ganz allein stampfend auf der Lichtung zu tanzen. Ein zweiter leistete ihm Gesellschaft, dann noch einer. Die Spannung zwischen den Trinkenden und müßig Herumstehenden, die sich gelöst hatte, stellte sich langsam wieder her; die Trommeln folgten dem Sog, die Männer folgten dem Sog; ständig größer wurde das fröhliche Durcheinander an Bewegung und Getrommel, Schlurren, Innehalten und Taktschlagen, das trotz des Gegeneinanders von Klang und Bewegung ein einziger Schlagwar, der weder als Klang noch als Bewegung erfahren wurde – der Schlag eines einzigen Herzens in einem einzigen Körper. Es war nichts Orgiastisches oder Ekstatisches, sondern bloß ein Tanz am Sonntagnachmittag; Bray schob seine langen Beine aus dem Wagen und stand, einen Arm auf den Kofferraumdeckel gelehnt, unter den Zuschauern. Die Leute schienen zu wissen, wer er war. Dann und wann tauschten sie Bemerkungen aus; er stellte eine Frage oder wies auf etwas hin, wie es die Nähe mit sich bringt. Ein alter Mann stellte nachdrücklich fest, daß die Bars erst seit relativ kurzer Zeit existierten. Ein junger Mann wartete darauf, daß der Alte weiterging, und widersprach allem, was er gesagt hatte: Diese Bar gebe es seit drei Jahren. Und der Tanz sei altmodisch und nur etwas für altmodische Leute. Wenn ich du wäre, würde ich tanzen, sagte Bray. Der junge Mann warf ihm einen höhnischen Blick zu, und eine Frau lachte. Das Stampfen und Schlagen erfaßte die Füße Brays und der anderen, so als stünden sie alle über einem Maschinenraum auf Deck eines Schiffs.
    Ein schwarzer Mercedes mit allen Anzeichen jüngst erworbener Amtswürde zog die bewundernde Aufmerksamkeit herumfahrender Köpfe auf sich. Er stoppte kurz und abrupt mitten unter den Leuten. Bray war überrascht, als einer der Mitfahrer in dunklem Anzug und weißem Kragen heraussprang und mit langen Schritten, vor denen man zurückwich, auf ihn zueilte. »Ist alles in Ordnung?« Bevor Bray noch antworten konnte, fuhr das Gesicht des Bürgermeisters aus dem Heckfenster des Wagens, und seine Stimme rief auf englisch herüber: »Haben Sie sich verlaufen, Colonel? Können wir helfen?«
    Bray war ein paar Tage davor mit dem Bürgermeister und Sampson Malemba zusammengewesen. »Nein, nein, ich vertreib mir bloß die Zeit.« Und dann ging er aus Höflichkeit hinüber zum Wagen. »Trotzdem vielen Dank.«
    »Ist bestimmt alles

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