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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Ernstes in Angriff nehmen«; es war eine äußerst liebenswürdige Art, das Problem, daß er nicht wußte, was er mit Bray anfangen sollte, vor sich herzuschieben.
    Der Einzug war keine große Angelegenheit. Die diversen Einkäufe der vergangenen Woche standen im Wohnzimmer immer noch an den Stellen, wo er sie hatte fallen lassen. Mr. Joosab war so freundlich gewesen, zum Aufhängen der Vorhänge seinen Sohn und seine Töchter vorbeizuschicken. Waren sie zugezogen, sahen sie aus wie Tischtücher, sie schlossen nicht. Waren sie zurückgezogen, hingen sie armselig herab. Er wußte nicht, was an ihnen verkehrt war; er dachte an Olivia und lächelte. Er hatte einen jungen Diener namens Mahlope, der Name war Gala und bedeutete »der Letzte von allen« – er trug bereits die langeweiße Schürze, für deren Erwerb er gleich bei Arbeitsantritt Geld gefordert hatte. Für den Empfang Brays hatte er die Betonböden des Hauses mit der unvermeidlichen dicken Schicht roter Bodenpaste bestrichen, und die beiden Männer verbrachten den Samstagnachmittag mit dem Einrichten – mit sicherem Instinkt für die richtige Position eines von der Regierung zur Verfügung gestellten verstellbaren Lehnstuhlmodells, für die Verwendung eines alten Messinghakens für Bilderrahmen, an dem nun der Badezimmerspiegel hing, gerade hoch genug, daß Bray sich beim Rasieren darin sehen konnte – des immer gleichen Junggesellenhaushalts eines Weißen, so alt wie die Siedlung selbst. Mahlope legte ein zerrissenes Stickdeckchen unter den Lederrahmen, in dem ein Bild von Venetia mit einer undeutlichen kleinen Mumie steckte, ihrem neugeborenen Kind; und stellte den Whisky, den Gin, einen verbogenen Flaschenöffner und Gläser in der ewig gleichen Anordnung auf etwas, was in der Liste des Hausinventars als »Beistelltisch« geführt wurde. Schon roch die Küche nach Paraffin, mit dem der Eisschrank betrieben wurde, und das Wohnzimmer nach Flohpulver, weil ein Haus, das mehr als ein paar Tage leer stand, unweigerlich zu einem Tummelplatz für Flöhe wurde. Bray war schon während eines ersten Rundganges durch die Socken hindurch in die Knöchel gebissen worden.
    Er wachte jetzt wieder früh am Morgen auf, was er in Afrika früher immer getan hatte. Der Diener war, mit verhaltener Stimme singend, seit halb sechs auf den Beinen. Bray nahm sein erstes Sonntagsfrühstück im Garten ein, an einem Morgen, der vom Geruch des Holzfeuers erfüllt war. Es war wieder gegenwärtig – alles, mit einem Schlag, wie durch den Duft einer Frau, mit der man einmal geschlafen hat. Die winzigen Honigsauger schwirrten in den groben Trompeten der Blumen herum. Zarte, im Flug schlank wirkende Wildtauben stießen leise, sanfte Schreie aus – nicht wiederzuerkennen als die Artgenossen der aufgeblasenen, krächzenden Kreaturen, die durch europäische Städte watscheln. Völlig reglos hingen kleine verdorrte Blätter in einzelnen Spinnfäden, die im Licht aufblitzten. Ein riesiger Feigenbaum bestandmöglicherweise aus mehreren Bäumen, die bis in eine Höhe von zwanzig Fuß zu einem einzigen Stamm zusammengedreht waren, wo sie sich nach allen Seiten hin ausbreiteten und mit ihren ineinander verschlungenen Ästen kreisförmig herabneigten. Überall sproßten kleine knopfförmige Feigen unmittelbar aus dem alten harten Holz des Stammes. Dünne Wespen ließen von ihnen ab und stürzten sich auf die Marmelade. Er empfand ein irrationales Glücksgefühl – wie eine leichte Gefahr. Er schleppte einen auf Schragen aufgebockten, wackeligen Tisch, der von den Ringen der Topfpflanzen gezeichnet war, unter seinen Baum, schrieb Briefe und las die Zeitungen, die Olivia geschickt hatte, schwelgend im Luxus des Alleinseins.
    Aber der Nachmittag war lang. Die Luft war erfüllt von den Echos menschlicher Aktivitäten; das entfernte Plock-Plock des Tennisspiels, das rasche Wenden der Autos, die vor den anderen Häusern der Straße ankamen oder losfuhren, der unter den Schlägen der Kirchenglocken wie Glas tönende Himmel, ein Geräusch, das ebenso verzerrt war wie der Anblick des Sees, den man von der Veranda aus hatte. Irgendwie verdichtete sich das Schweigen des Hintergrundes, und vom Schwarzenviertel weit drüben im Osten wurde der vage Tumult sonntäglicher Unterhaltungen herübergetragen. Er dachte, daß er sich dort umsehen wollte; bis jetzt hatte er es noch nicht getan. Natürlich hatte er es zu seiner Zeit als D. C. sehr gut gekannt und hatte viel Zeit dort unten verbracht; zu viel für den

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