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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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nahm er zum allgemeinen Vergnügen das Weihnachtsfest als Vorwand, auch alle anderen Frauen im Zimmer zu küssen. Sogar Elizabeth musste lachen, als der König der Reihe nach die Damen scherzend in die Enge trieb. Als der Spaß seinen Höhepunkt erreichte und die Königin abgelenkt war, wollte Anne aus dem Zimmer schlüpfen, doch der König erblickte sie und hielt sie unter großem Getöse davon ab.
    »Na, na. Dort ist ein hübsches Rehlein und läuft in den Wald hinein, Euer Majestät. Wollen wir es fangen?«
    »Aber gewiss, mein Herr, jagt es nur.«
    »Los, Mädchen - fangt sie!« Und die kichernde Weiberschar, jung und alt, folgte seinem Befehl. Sie umzingelten
    Anne und schleppten sie zum König, damit er sie küsse. Sie wurde in seine offenen Arme gestoßen, und einen süßen, kurzen Augenblick lang berührten sich ihre Lippen, dann ging das Spiel weiter, und ein anderes, willigeres Opfer wurde gefunden.
    Die Königin war in gnädiger Stimmung. Während der zwölftägigen Weihnachtszeit wurde allerlei Schabernack getrieben. Das hatte keine Bedeutung, auch wenn der König schon seit mehreren Nächten nicht mehr ihr Bett aufgesucht hatte. Ihre Spione berichteten ihr, er arbeite mit William und anderen Ratgebern bis tief in die Nacht.
    Doch beim Gedanken an die Gerüchte, von denen ihre Mutter am Abend zuvor berichtet hatte, zog sich ihr Herz angstvoll zusammen. Der König wollte eine Armee aufstellen. Die Konfrontation mit Warwick war nicht mehr aufzuhalten, und nachdem sie ihren ersten Mann in der Schlacht von Towton verloren hatte, gab es für sie keine Sicherheit mehr im Leben. Sie war seit knapp drei Jahren Königin und hatte Edward noch immer keinen Sohn geboren. Gott allein wusste, dass sich das Schicksal auch wieder gegen sie wenden konnte ... Der König unterbrach ihre düsteren Gedanken.
    »Beeilt Euch, meine Liebste. Wir haben einen Gast, den Ihr besonders zuvorkommend behandeln sollt. Wir brauchen seine Unterstützung.«
    Die Königin wusste, dass er von Mathew Cuttifer sprach. Sie billigte es nicht, dass der König die Kaufleute der Stadt so begünstigte, da sie davon nur überheblich wurden. Aber Elizabeth war nicht dumm. Sie brauchten Geld, und Geld gab es in London. »Aber gewiss, mein Herr und König, ich bin Eure gehorsame Dienerin«, erwiderte sie deshalb gnädig.
    Der König grinste. »Gehorsam? Wie entzückend. Und wie neu.« Er klatschte in die Hände. »Kommt, Kinder, kleidet die Königin vollends an. Ich brauche sie.«
    Er verließ den Raum, und hinter ihm brach ein geschäftiges Treiben los. Wie ein Bienenschwarm liefen die Mädchen hin und her und richteten Haare, Gesicht und Kleider der Königin, die wie eine Statue in der Mitte des Raums stand. Sie schnürten ihr Mieder zu, zupften ihr Kleid zurecht und steckten ihr über der Stirn zu einem Helm aufgetürmtes Haar mit juwelenbesetzten Nadeln fest.
    Die Königin wusste, dass die Schwangerschaft ihrer Haut einen strahlenden Schimmer verlieh, und diesmal gab es zum Glück auch keine Anzeichen der Wassersucht. Die letzte Schwangerschaft war vielleicht eine Verirrung des Schicksals gewesen. Sie wollte Doktor Moss bitten, für sie und das Kind ein Horoskop zu erstellen. Vielleicht war dieses Kind zu einer günstigeren Zeit empfangen worden als die Prinzessin. Es klopfte, und Doktor Moss trat ein wie aus dem Nichts gerufen. Er trug einen teuren, mit Biberpelz gefütterten Umhang aus rotem Samt.
    »Mir schien, ich sollte nachsehen, wie Euer Majestät sich an diesem schönen Weihnachtstag befinden«, meinte er nach einer tiefen Verbeugung.
    »Gut, wie Ihr seht, Doktor. Aber ich habe keine Zeit zum Plaudern; der König erwartet mich in Kürze. Vielleicht können wir uns etwas später, nach der Messe, unterhalten. Enger!«
    Jehanne hatte die letzten Bänder an dem prachtvollen, golddurchwirkten Kleid zugezogen, das die Königin zur Geburtstagsfeier des Erlösers gewählt hatte. Die alte Frau sah den Doktor unsicher an.
    »Etwas lockerer wäre wohl ratsamer, Euer Majestät. Dem Kind zuliebe.« Die Königin schmollte, doch da sie sich ihre heitere Stimmung durch nichts verderben lassen wollte, stimmte sie widerstrebend zu, worauf Jehanne die Bänder am Rücken ein wenig lockerte.
    »Begleitet mich zur Kapelle, Doktor - wir müssen uns beeilen. Ihr empfehlt doch Bewegung für Damen in meinem Zustand, nicht wahr, Doktor?«
    »In Maßen, gewiss. Alles in Maßen, wie die Griechen zu sagen pflegten ...«
    Die Königin rauschte aus dem Zimmer, ihre

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