Der Eid der Heilerin
der König ... zu seiner Geliebten macht und man dich nach deiner Herkunft fragt? Glaub mir, Hastings würde Nachforschungen anstellen, denn er hat über die Sicherheit des Königs zu wachen. Es würde so viele Fragen geben, die nicht beantwortet werden könnten, ohne dass es böse Folgen für dich hätte. Ganz zu schweigen davon, wie die Königin reagieren würde, wenn du seine Geliebte würdest. Die Dinge entwickeln sich zu schnell - wir stehen am Rand einer Katastrophe.«
Mit Entsetzen begriff Anne das ganze Ausmaß ihrer Situation. Sie konnte nicht so tun, als wüsste sie nicht, wer sie wirklich war. Bei ihrer ungeklärten Beziehung zum König konnte sie unmöglich länger am Hof bleiben und der Königin dienen.
Sie brauchte Freunde, mächtige Freunde, die ihr einen Rat geben konnten. Aber wen? Wem konnte sie trauen?
Hewlett-Packard
Kapitel 27
Am Weihnachtsmorgen, lange vor Sonnenaufgang, saßen Edward und Mathew Cuttifer noch immer in den königlichen Privatgemächern. Der König benötigte dringend Geld, um beim ersten Wetterumschwung Truppen gen Norden schicken zu können, die stark genug wären, Warwick und seinen eingebildeten, törichten Bruder George, den Herzog von Clarence, einzuschüchtern.
Schon seit Stunden verhandelten die beiden über Steuererleichterungen für die Londoner Kaufleute als Gegenleistung für die Aufstellung einer Armee, die dem König im neuen Jahr vier Monate lang zur Verfügung stehen sollte. Edward war vom Verhandlungsgeschick des Kaufmanns beeindruckt. London war das bedeutendste Handwerkszentrum im ganzen Königreich, und die mächtigen Zünfte, an der Spitze die der Tuch- und Seidenhändler, wollten, dass das auch so blieb. Wenn der König einwilligte, gewisse Alleinher- stellungsrechte in der Stadt zu unterstützen - zum Beispiel die Herstellung von Nadeln, die für Edward selbst von Interesse war -, war Mathew überzeugt, dass er seinen Kaufmannskollegen die Vorteile dieses Geschäfts würde vermitteln können.
Eine große Armee unter der Führung des Königs würde die Stadt schützen, was in unsicheren Zeiten wie diesen nicht schaden konnte. Mathew glaubte auch, dass der König ein besserer Feldherr als Warwick war. Seine Erfolge als Kriegsherr wiesen ihn als gef ä hrlichen Taktiker aus, der im Gegensatz zum Grafen Warwick in Krisensituationen kühlen Kopf bewahrte. Mathew wusste aber auch, dass es nicht leicht werden würde, die anderen Kaufleute von seinem Standpunkt zu überzeugen.
Er teilte die Meinung des Königs, dass eine offene kriegerische Auseinandersetzung vermieden werden sollte, da dies so bald nach den vergangenen Kriegen dem Handel schaden würde. Doch einen Krieg in aller Öffentlichkeit vorzubereiten, wäre eine Gelegenheit, die Gegenseite von der Torheit zu überzeugen, Leib und Leben und vor allem Besitztum zu riskieren.
Es war eine lange Nacht geworden, und Mathew sehnte sich nach einem Bett. Für den König mit seinen vierundzwanzig Jahren war es ein Leichtes, nach einem Fest und übermäßigem Alkoholgenuss die ganze Nacht aufzubleiben, doch für Mathew gehörte ein derartiger Lebenswandel längst der Vergangenheit an. Und morgen - eigentlich heute - erwartete ihn die anstrengende Rückfahrt nach London. Wenn der Fluss immer noch zugefroren war, würde er zu Pferd reisen müssen, was angesichts seines Hämorrhoidenleidens keine angenehme Vorstellung war. Er unterdrückte ein herzhaftes Gähnen, während der König sich in die Einzelheiten des Abkommens vertiefte. William beugte sich vor und flüsterte dem König etwas ins Ohr, worauf dieser sich Mathew zuwandte.
»Master Cuttifer. Vergebt mir, dass ich Euch so lange vom verdienten Schlaf abgehalten habe. Wir werden unser Gespräch nach der Morgenmesse fortsetzen, dann könnt Ihr wieder nach Hause zurückkehren. Nur eins noch ...« Der König erhob sich leichtfüßig und zog sein Schwert aus der Scheide, das die ganze Zeit über auf dem Tisch gelegen hatte. »Kniet nieder.«
Einen Augenblick lang flackerte in Mathews übermüdetem Gehirn panisches Entsetzen auf. Er will mir den Kopf abschlagen! Aber das Lächeln auf Edwards Gesicht beruhigte seinen Herzschlag. Der König hatte etwas anderes vor. William bedeutete ihm niederzuknien. Zitternd ließ Mathew sich auf ein Knie herab, das rechte, das etwas weniger schmerzte, und neigte den Kopf. Der König trat mit gezogener Klinge auf ihn zu. Benommen spürte der Kaufmann einen leichten Schlag auf jeder Schulter.
»Erhebt Euch, Sir Mathew
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