Der Eid der Heilerin
politische Basis zu schaffen. Allerdings hatte sie verbitterte Gegner. Warwick wollte ihr nicht verzeihen, dass sie heimlich den König geheiratet hatte. Er war der mächtigste Vasall des Königs und hatte als solcher bereits eine französische Verbindung für Edward ausgehandelt. Mit ihrer unerwarteten Eheschließung hatte sie Warwick zum Gespött ganz Europas gemacht. Sie dagegen konnte Warwick nicht verzeihen, dass er aus seinem Unmut über ihre Heirat kein Geheimnis bei Hof gemacht hatte. Mathew pflegte mit beiden Parteien wichtige Geschäftsbeziehungen, und je länger er über die Situation nachdachte, desto klarer wurde sie für ihn. Sein aufblühender Wohlstand stand zwischen zwei starken, aufstrebenden Machtblöcken, und er würde mit großer Besonnenheit vorgehen müssen, um einen gangbaren Weg zwischen diesen Blöcken zu finden und Gewinn aus den üppigen Schmiergeldern zu erzielen, die er zur Sicherung seiner geschäftlichen Interessen an beide Seiten gezahlt hatte. Vielleicht schützte ihn der König ja höchstpersönlich?
In Zeiten ernster Schwierigkeiten fand Mathew stets Trost im Gebet, obwohl die Schmerzen in seinen Knien schier unerträglich wurden, wenn er längere Zeit kniete. Die Gicht, sagte der Doktor. Hört auf zu trinken. Aber Mathew fühlte sich zu alt, um dem Wein zu entsagen. Schmerzen hin oder her, er wollte zu seinem Gott beten, und aus langjähriger Erfahrung wusste er, dass er auch eine Antwort bekommen würde, wenn er sich nur darauf konzentrierte.
Das Kohlebecken in seinem Arbeitszimmer erwärmte die klamme Luft nur dürftig, deshalb war er dankbar für den dicken, mit Pelz gesäumten Wollumhang, den er sich sorgfältig um die Beine wickelte, als er auf dem harten, hölzernen Betstuhl niederkniete. Das gute Eichenstück war in der Tat eine Konzentrationshilfe - sein Beichtvater war der Meinung, die fehlende Polsterung fördere die Meditation über die Leiden des Herrn.
Während er nun zur Mutter Maria betete, die er besonders verehrte und der er auch seine Kapelle gewidmet hatte, dachte er gleichzeitig an die enorme Summe, die ihn dieser Betstuhl gekostet hatte. Die Eiche stammte aus seinen Ländereien im Norden, die Schnitzereien von dem flämischen Holzschnitzer Maitre Flamand und die Einlegearbeiten aus Elfenbein und dem Holz des Lebensbaums aus Afrika. Alles in allem hatte der Betstuhl weit mehr gekostet, als er zuzugeben bereit war. Doch er war eine gute Geldanlage, wie ihm die Blicke seiner Geschäftspartner verrieten. Der Betstuhl sprach für seine Frömmigkeit - und für seine Bedeutung als Geschäftsmann. Den Unachtsamen mochte er glauben machen, dass er auch in Geldangelegenheiten nicht von dieser Welt sei, doch das war ein Irrtum.
Er lächelte. Es bereitete ihm Vergnügen, für weltfremd gehalten zu werden. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass seine Gedanken abgeschweift waren. Er sammelte sich mit einem weiteren Ave Maria, dann einem dritten und schließlich einem vierten. Doch selbst die vertrauten Worte konnten ihm die Furcht nicht nehmen, die in seinem Kopf lauerte. Was er brauchte, war ein Zeichen der Mutter Gottes, ein Zeichen, dass sie ihn hörte und bereit war, sich bei ihrem Sohn für ihn zu verwenden, damit ihm der richtige Weg gewiesen werde.
Es klopfte an der Tür. Er versuchte, es zu ignorieren und sich in seine Andacht zu versenken, doch es klopfte erneut, und Mathew wurde sich der bohrenden Schmerzen in seinen Knien bewusst. Unter Qualen erhob er sich - zu schnell, denn die Schmerzen wurden schlimmer. »Was gibt's«, bellte er ärgerlich.
Die Tür wurde vorsichtig geöffnet, und das ängstliche Gesicht der Haushälterin erschien. Es sah so bleich aus, dass Mathew sich wieder etwas beruhigte. Wenn Jassy zweimal anklopfte, musste es sich um etwas Wichtiges handeln.
»Nun, Weib? Was gibt es so Wichtiges, dass ich in meinen Gebeten gestört werde?«
Die Haushälterin knickste nervös. »Sir, Lady Margaret bittet Euch, sie aufzusuchen. Es geht um eine Sache ... um - Eure Frau, Sir, sie meint, dass ...« Sie geriet ins Stocken.
Unwillkürlich erwachte Mathews Neugier. Jassy war die Dienerin, der er am meisten vertraute. Sie war im Haushalt seiner Eltern aufgewachsen und während seines ganzes Erwachsenenlebens - und während seiner drei Ehen - seine Haushälterin gewesen. Manchmal, wenn niemand in der Nähe war, nannte sie ihn in Erinnerung an ihre gemeinsame Kindheit Mathew und er sie Phillipa oder sogar Pip. Oft lachte er darüber, dass seine
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