Der Eid der Heilerin
Herrin erzählt hast«, hob sein Vater an.
»Ich bin schwanger. Euer Sohn ist der Vater«, sagte das Mädchen mit kaum hörbarer Stimme, ohne aufzusehen.
Die Stille im Raum breitete sich aus, während alle darauf warteten, dass er etwas sagte. Er wollte sprechen - ihm lag schon eine schlagfertige Antwort auf der Zunge, doch er unterdrückte sie. Die Zeit zog sich quälend dahin, während er um seinen Fassung rang. Er zitterte. »Vater ... ich ...«
»Piers, ich bin bereit, dich anzuhören, aber bedenke deine Worte reiflich. Deine Mutter und ich wollen die Wahrheit hören.« Die Stimme seines Vaters klang überraschend gefasst. Die beiden Frauen schwiegen.
»Vater - und Ihr, Mutter -, ich kann nicht der Vater des Kindes sein, denn ich habe das Mädchen nie angefasst.«
»Lügner.« Aveline sprach das Wort ruhig, aber bestimmt aus und sah ihm dabei in die Augen.
Mathew Cuttifer fasste einen Entschluss - er wusste, wie er das Problem lösen konnte. Er wandte sich an Margaret. »Bitte geh mit Aveline und Piers in die Kapelle. Ich komme gleich nach. Und du, mein Sohn, und du, Mädchen« - er sah beiden ins Gesicht -, »ihr werdet auf Knien vor euren Gott treten.« Er erhob sich mit vom langen Sitzen schmerzenden Knien und verließ das Turmgemach.
Aveline sah zu Piers hinüber. Sie wirkte gefasst und distanziert. Nun, da sie ihr Gewissen erleichtert hatte, fühlte sie sich seltsam losgelöst von allem.
Piers beachtete sie nicht. »Mutter, was immer Aveline dir erzählt haben mag, bitte glaub mir, dass ich unmöglich der Vater ihres Kindes sein kann.«
»Ich bin nicht deine Mutter, Piers.« Margaret schlug einen neutralen Ton an, doch der ernste Ausdruck ihrer Augen brachte ihn zum Schweigen. »Aveline, wasch dir das Gesicht, bevor wir gehen.«
Ein hastiges Klopfen ertönte an der Tür zur Küchentreppe. Anne huschte herein und sah etwas, was sie noch nie zuvor erlebt hatte - eine verletzbare, schwache Aveline. Sie warf Anne einen Hilfe suchenden Blick zu und stürzte zur Kleiderkammer. Kurz darauf hörten sie die unmissverständlichen Geräusche, wenn sich jemand erbricht.
»Piers«, sagte Margaret, »du wirst mich zur Kapelle begleiten. Und du, Anne, bringst Aveline nach, wenn es ihr wieder besser geht.« Piers würdigte Anne keines Blickes, als er wütend an ihr vorbeistapfte, gefolgt von Margaret, die ihr neues Stundenbuch anmutig in den Händen hielt.
In der nachfolgenden Stille hörte Anne, dass Aveline sich erneut übergab. Geistesgegenwärtig tauchte sie ein Tuch in die Messingschüssel und trat schweigend neben das ältere Mädchen, das sich über das stinkende Loch in der Kleiderkammer beugte.
Aveline hob das Gesicht und sagte verbittert: »Du wirst es sowieso bald erfahren, Anne. Ich bekomme ein Kind von Piers.« Ihr Magen rebellierte aufs Neue, doch es kam nur noch dünner, grünlicher Schleim. Anne tupfte Avelines Stirn mit dem kühlen, feuchten Tuch ab, bevor diese protestieren konnte.
Anne schauderte. Sie selbst hätte jetzt in dieser Klemme stecken können - wie dicht sie beide am Rand des Abgrund standen! Und all das nur wegen Piers. Wahrlich, diese Stadt war ein wüster Ort, viel Furcht erregender als die unbefestigten Wege und wilden Tiere ihrer Heimat. Die töteten, weil sie Hunger hatten, aber sie vernichteten nicht Leben aus reinem Vergnügen wie Piers. Aveline befand sich in einer schrecklichen Situation, ihre eigene Zukunft und die ihres Kindes waren völlig ungewiss. Vielleicht jagte man sie davon, wie Piers gesagt hatte, und wer sollte ihr dann helfen?
Mitfühlend küsste Anne Aveline sanft auf die Stirn. »Ich werde für dich und das Baby beten, Aveline. Irgendwo gibt es immer Hilfe.«
Arme Aveline. Es war bestimmt lange her, dass jemand aufrichtig freundlich zu ihr gewesen war. Ihre Fassade des Stolzes, hinter der sie sich bisher versteckt hatte, begann zu bröckeln, und Anne bemerkte, zum ersten Mal, dass Aveline kaum älter war als sie - und viel unsicherer.
Hewlett-Packard
Kapitel 9
Selbst mitten im Sommer war es in der Kapelle von Blessing House kühl, und nun, im tiefsten Winter, glich der Raum einer Eishöhle. Um Platz für die Kapelle zu schaffen, war die Decke zwischen einem unbenutzten Hängeboden und einem geräumigen Kellerverlies herausgebrochen worden. Der Raum war groß und dunkel, doch über dem aufwändig gefliesten Boden erhob sich eine hübsche, kleine Chorempore, und im Hauptraum der Kapelle standen mehrere geschnitzte Eichenbänke für Mathew und seine
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