Der Eid der Heilerin
- auch wenn Mathew ihn so behandelte. Was sie sah, war der Zorn eines Mannes, eines rachsüchtigen Mannes.
Doch Mathew war so darum bemüht, Gottes Willen zu übermitteln, dass er den Ausdruck auf dem Gesicht seines Sohnes nicht sah. »Diese ... Aveline und du, ihr werdet miteinander auskommen. Das hat Gott mir gesagt. Ihr seid seelenverwandt, und ich glaube, sie ist ein kluges Mädchen.« Er sah seine Frau Zustimmung heischend an. Margaret nickte. »Und sie wird dir eine gute Stütze sein. Sie wird mit der harten Arbeit in einem Kaufmannshaus besser zurechtkommen als manche der vornehmen jungen Damen vom Hofe, die wir für dich in Betracht gezogen haben. Außerdem wäre es für mich und die meinen eine Schande, wenn ein Bastard meines Hauses auf die Straße geworfen werden würde.« Wieder versuchte Piers zu sprechen. »Nein! Du wirst mich zu Ende anhören!«, fuhr Mathew fort.
»Du hast gesündigt und musst dafür Buße tun. Ich werde deine Stiefmutter bitten, Aveline meine Entscheidung mitzuteilen. Ihr müsst euch auf die Hochzeit vorbereiten. Heute Abend werde ich vor dem versammelten Haushalt eure Verlobung bekannt geben, und wir werden Vater Bartolph ersuchen, die Verlobungsmesse noch heute abhalten zu dürfen.«
Jetzt endlich gelang es Piers, seinen Vater zu unterbrechen. »Vater, ich werde dieses Luder niemals heiraten. Woher weiß ich überhaupt, dass das Kind von mir ist?«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Schweig! Du gibst deine unsterbliche Seele dahin, wenn du Gottes Willen missachtest! Dies ist mein Haus, ich bin dein Vater auf Erden, aber dein höherer Vater ist im Himmel. Wenn du meinem Willen trotzt, wirst du auf ewig verdammt sein. Ich werde dich meines Hauses verweisen und dieses Kind an deiner Statt aufziehen.«
Die beiden Männer starrten einander an, bis Piers wie gewohnt als Erster die Augen senkte. Margaret jedoch war zutiefst beunruhigt, denn die Miene des jungen Mannes verriet nicht Angst, sondern Hass. Und plötzlich sah ihr energischer Gemahl alt und hilflos aus. Eilig sprang sie in die Bresche.
»Piers, ich schlage vor, du gehst wie üblich deinen Geschäften in Blessing House nach. Es gibt viel zu tun. Wir werden später noch einmal darüber sprechen, nach dem Abendgebet, wenn wir uns alle ein wenig beruhigt haben.«
Ohne ein weiteres Wort verließ Piers das Zimmer und schlug mit einem gewaltigen Krachen die Tür hinter sich zu, während Mathew sich erschöpft auf seinen Arbeitsstuhl sinken ließ. Margaret trat zu ihm und berührte sanft seinen Arm.
»Nun, das Schlimmste ist überstanden. Natürlich wird es böse Zungen geben, aber die werden bald ein anderes Thema gefunden haben. Wir müssen stolz sein und schweigen. Keine unnötigen Erklärungen.«
Wortlos nickte er, ohne die Augen zu öffnen. Er spürte ihren zarten Kuss auf seinen Lippen und schlang die Arme um sie, ohne sich zu schämen, dass sie seine Bestürzung und Unsicherheit sah.
In einem großen Haus machen Neuigkeiten schnell die Runde. Vielleicht hatte der Pfarrer eine Bemerkung fallen lassen, als er nach der Messe seinen Krug Bier in der Küche trank, oder es lag an Piers Gesichtsausdruck und seinem boshaften Verhalten gegenüber dem jüngsten Stallknecht - jedenfalls waren alle gespannt, ob sich die Gerüchte bestätigen würden, als sich die Hausgemeinschaft am Ende eines betriebsamen Tages zum Abendgebet in der Kapelle versammelte.
Für Anne war der Tag nicht leicht gewesen, denn sie war von allen Seiten neugierig bedrängt worden, selbst Jassy hatte sich herabgelassen, sie nach den Ereignissen in der Kapelle zu fragen. Doch aus Mitleid für Aveline und aus Angst vor Piers hatte sie eisern geschwiegen.
Aveline hatte den Nachmittag wie in Trance verbracht. Als sie nun, nach dem Abendsegen von Vater Bartolph, Mathew ihren Namen sagen hörte, erhob sie sich schwankend von ihrem Platz neben Anne und ging, der gaffenden Blicke der Dienerschaft bewusst, mit unsicheren Schritten auf Piers zu.
Auch Piers hatte sich erhoben und stand neben seinem Vater und Lady Margaret vor dem Altar. Er stand mit dem Rücken zur Gemeinde da, das Gesicht starr wie Stein. Nachdem das Mädchen seinen Platz neben Piers und seinen Eltern eingenommen hatte, räusperte sich Vater Bartolph nervös und wollte gerade mit der Verlobungszeremonie beginnen, als Mathew ihn mit erhobener Hand unterbrach.
»Ihr Leute von Blessing House, heute Abend haben wir Grund zum Feiern. Hier stehen mein Sohn Piers und Aveline, die
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