Der Eid der Heilerin
bei ihrem kostbaren Sohn und bei Gott dem Herrn, dass Piers der Vater meines Kindes ist und dass er mich gegen meinen Willen genommen hat.«
Nun hielt der Pfarrer Piers den Hostienschrein entgegen, der widerwillig die rechte Hand auf das kalte Metall legte. »Piers, du hast Avelines Schwur vernommen. Sagst du immer noch, vor deinem Vater auf Erden und deinem Vater im Himmel, dass sie lügt?«
Piers war kein religiöser Mensch, aber er war abergläubisch. Als er nun vor dem Altar stand, über ihm die nackten Männer und Frauen, die in die Hölle stürzten, wo sie von Dämonen mit Mistgabeln empfangen wurden, stellte er entsetzt fest, dass er die Worte der Verleugnung nicht über die Lippen brachte.
»Piers, ich frage dich noch einmal. Im Namen des Vaters, seines Sohnes und seiner heiligen Mutter, bist du der Vater von Avelines Kind?«
»Wenn sie schwanger ist, könnte das Kind von mir sein, denn ich habe sie beschlafen. Aber sie ist ein Luder und ist freiwillig zu mir gekommen, nachdem viele andere arme Narren sie gehabt haben. Auf den Knien hat sie mich angefleht ...«, stieß er gequält hervor.
»Genug! Dies ist ein Gotteshaus.« Mathews angewiderter Aufschrei ließ Piers verstummen. Bevor der Pfarrer es verhindern konnte, trat Mathew zum Altar und begann auf seinen Sohn einzuschlagen. In diesem Augenblick verlor Aveline das Bewusstsein und kam mit der Stirn so hart auf den Steinstufen auf, dass das Blut über den hellen Marmor spritzte.
Der Pfarrer war wie gelähmt von dem Szenario, das sich vor seinen Augen abspielte, während Lady Margaret die Fassung behielt. »Mathew!«, sagte sie scharf, worauf alle drei Männer sich zu ihr umwandten. Lady Margaret kniete neben dem ohnmächtigen Mädchen und sprach mit ruhigem Ton weiter.
»Piers, du gehst hinauf ins Sonnenzimmer und bittest Anne herunter. Sie soll Leintücher und Wasser mitbringen.« Der junge Mann wandte sich zum Gehen. »Und dann wartest du auf deinem Zimmer, bis du gerufen wirst. Vater Bartolph, Euch bitte ich, für uns alle zu beten«, fügte sie hinzu.
Schweigend nickte der Pfarrer, ehe er erleichtert bemerkte, dass sich das Mädchen rührte.
»Mathew, es gibt eine Menge zu besprechen. Darf ich Euch in Kürze in Eurem Arbeitszimmer aufsuchen?«
Nicht zum ersten Mal bewunderte Mathew die Umgangsformen seiner Frau. Schon als Kind hatte sie gelernt, schwierige Situationen mit Fassung und Takt zu meistern. Sie gab ihm die Sicherheit, das Richtige in Würde zu tun, wenn er sie am nötigsten brauchte. »Ich werde Euch erwarten«, erwiderte er. Dann strich er sein Gewand glatt und verließ die Kapelle, ohne das bleiche Mädchen, das von seiner Frau gestützt wurde, eines weiteren Blickes zu würdigen.
Einen Augenblick später hastete Anne mit einer Waschschüssel den Flur entlang. Sie knickste und drückte sich an die Mauer, um Mathew vorbeizulassen, sorgsam darauf bedacht, kein Wasser zu verschütten. Doch Mathew nahm sie nicht einmal wahr, als er tief in Gedanken versunken seinem Arbeitszimmer zustrebte.
Mit der Messingschüssel im Arm klopfte Anne an die Tür zur Kapelle, die ihr leise von Vater Bartolph geöffnet wurde. Er deutete auf die zwei Frauen zu Füßen des Altars. Anne war zutiefst entsetzt, als sie Aveline mit totenbleichem und blutverschmiertem Gesicht daliegen sah. Schnell eilte sie an die Seite ihrer Herrin, während der Pfarrer sich in die Sakristei zurückzog.
Anne kniete neben Lady Margaret auf dem kalten Steinboden nieder und begann unaufgefordert, Avelines Gesicht mit einem feuchten Tuch abzutupfen. Lady Margaret war überaus erleichtert, dass sie nichts sagen und keine Fragen beantworten musste, und beobachtete die stille, sachkundige Art, mit der Anne vorging.
Aveline konnte weder weinen noch sprechen. Sie lag in Lady Margarets Schoß und zeigte keinerlei Regung, als Anne das Blut wegwischte und das Tuch fest auf die Platzwunde auf ihrer Stirn drückte.
»Lady Margaret, soll ich Aveline ins Sonnenzimmer bringen? Ich könnte dort das Tuch wechseln und ihr einen Verband anlegen. Die Blutung wird bald aufhören.«
Lady Margaret nickte erschöpft. Die beiden Frauen fass- ten das Mädchen um die Taille und hoben sie hoch. Aveline schwankte ein wenig, als trügen ihre Beine sie noch nicht richtig, deshalb legte Anne einen Arm um ihre Hüfte, um sie zu stützen. Dankbar lehnte Aveline sich an ihre Schulter, und die beiden gingen langsam hinaus.
Im Sonnenzimmer lag Aveline mit offenen Augen auf ihrem Lager, ohne ein Wort zu
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