Der Eid der Heilerin
etwas Bemerkenswertes an sich - Venus im Skorpion? Auch Mars spielte mit hinein, kein Zweifel. Bemerkenswert waren ihre weit auseinander stehenden Augen, der strahlende Blick, die stolze, schmale Nase. Für eine Frau besaß sie ungewöhnlich viel vom Mars. Für ihren zukünftigen Mann konnte dies ein hartes Los sein, da sie gewiss kein zuvorkommendes Eheweib abgeben würde. Mars regierte die Herzen, vielleicht lag hier auch der Schlüssel für ihre Unpässlichkeit. Er würde mit Freuden ihre Brust abhören - wenn er nur die Haushälterin los wurde.
»Dreh den Kopf zur Seite, Kind. Gut. Jetzt die andere Seite. Hervorragend. Nun zeig mir deine Zunge.«
Doktor Moss war ein erfahrener Arzt und ein Kenner der menschlichen Natur und führte seinen Erfolg bei den kapriziösen Damen des Hofs auf beide Fähigkeiten zurück. Doch er besaß noch eine Geheimwaffe, die ihm bei seinen weiblichen Patienten zu Hilfe kam: seine Stimme. Er hatte schon früh die Erfahrung gemacht, dass seine Patientinnen am besten reagierten, wenn er besänftigend, ruhig und herzlich mit ihnen sprach, eine Technik, die er von einem geübten Stallmeister aus den königlichen Stallungen übernommen hatte. Der hatte genau gewusst, wie er zu den Pferden sprechen und sie berühren musste.
Als Doktor Moss Hofarzt wurde und Edward gelegentlich bei seinen Trinkgelagen Gesellschaft leistete, hatte er erkannt, dass der Erfolg des Königs bei den Frauen auch darauf zurückzuführen war, dass er ihnen das Gefühl vermittelte, sie besäßen seine ganze Aufmerksamkeit. Diese Tatsache hatte er sich als Arzt zu Eigen gemacht. Selbst hier konzentrierte er sich ganz auf dieses Dienstmädchen, als gäbe es für ihn niemanden sonst auf der Welt, als wäre sie die wichtigste Patientin, die er je gehabt hatte.
»Nun, Anne, geht es so?« Das Mädchen nickte, registrierte jedoch argwöhnisch seinen festen Blick und den sanften Druck seiner Hände, als er die weiche Haut an ihrem Hals und hinter ihren Ohren abtastete. Moss spürte ihre Anspannung, was ihn jedoch erstaunte, denn meist genossen seine Patientinnen seine Berührung und entspannten sich völlig dabei. Er räusperte sich ungeduldig und versuchte erneut, seine Patientin zu beruhigen. »Anne, ich werde dich jetzt um etwas bitten, das dir vielleicht ein wenig peinlich ist. Aber es ist sehr wichtig, dass du genau tust, was ich dir sage. Ich muss dem König Bericht erstatten, und er legt größten Wert darauf, zu wissen, wie es dir geht. Willst du mir helfen, dass du gesund wirst?«
Anne musterte ihn fragend und nickte, wenn auch widerstrebend. Seine Ü berredungskraft war höchst wirkungsvoll, trotzdem war es ihr peinlich, von einem Mann so vertraulich berührt zu werden.
Auch Jassy war nicht leicht zu überzeugen. Nun, da sie ihn bei der Arbeit beobachtete, kam er ihr ein wenig zu glatt vor. »Wie soll sie Euch helfen, Doktor?«, fragte sie mit einem Anflug von Schärfe in der Stimme.
»Mistress, ich benötige einen großen Nachttopf. Ihr könntet ihn mir beschaffen, während ich die Patientin weiter untersuche.«
Jassy ließ sich nicht einschüchtern. »Die Herrin wird wissen wollen, Sir, wonach Ihr sucht.«
Der Arzt erhob sich eilig und führte die widerstrebende Haushälterin zur Tür. »Bubonen«, zischte er so leise, dass das Mädchen ihn nicht hören konnte. »Dieses Kind hatte Kontakt mit dem Herrscher. Es ist meine Pflicht, sie auf Pest zu untersuchen. Also, bringt mir einen großen Topf.« Entschlossen öffnete er die Tür, ehe er wieder zu Anne zurückkehrte.
»Nun, mein Kind, wenn Mistress Jassy wiederkommt, gehst du in die Kleiderkammer und lässt Wasser. Es wird mir viel über deine Gesundheit verraten. Und während wir auf sie warten, kannst du dein Hemd hochziehen. Ich möchte deine Brust abhören und deine Achseln abtasten.«
»Nichts deutet auf Pest hin, Sir. Ich habe keine Schwellungen.«
»Wie kommst du auf solche Gedanken, Mädchen?«, fragte er neugierig.
»Nun, da ich mich schlecht gefühlt und stark geschwitzt habe, war es nahe liegend, dass Ihr besorgt seid. Aber nun geht es mir wieder besser. Der Schlaf hat mir gut getan. Wahrscheinlich habe ich heute früh etwas Schlechtes gegessen - deshalb ist mir so übel geworden.«
Moss ärgerte sich, dass das Mädchen ihn belehren wollte. »Ich bin hier derjenige, der sich ein Urteil über deinen Gesundheitszustand zu machen hat, junge Frau. Und als Leibarzt Seiner Majestät muss ich sichergehen, dass du nichts hast, was ihm schaden
Weitere Kostenlose Bücher