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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Gilles noch wach und kann dir einen Stärkungstrank mit einem Ei machen - du musst halb verhungert sein.«
    Das stimmte, Anne hatte seit dem Morgen nichts mehr gegessen, so dass ihr nun, nachdem sie die Auswirkungen des seltsamen Erlebnisses in der Kirche verdaut hatte, lautstark der Magen knurrte.
    Jassy hatte sich geirrt. Die Küche schien verlassen, nur ein einziges Feuer brannte, während die anderen Herde für ihren Einsatz am nächsten Morgen leer gefegt waren. Aber als sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, entdeckten sie Corpus, der unter einer der Bänke auf einem Haufen Lumpen schlief. Er schnüffelte und kratzte sich im Schlaf, fast wie einer der großen Wolfshunde, an die er sich um der Wärme willen gekuschelt hatte. Die Tiere waren wegen ihrer Kampfeigenschaften bei Hof sehr beliebt und wurden auch von Mathew geschätzt.
    Jassy betrachtete den alten Mann mitfühlend. »Da siehst du's. Das Alter holt uns alle ein. Ich kenne Corpus seit seiner Jugend. Er war ein hübscher Bursche ...«
    Anne sah sie überrascht an.
    »Schau nicht so verblüfft. Damals war ich noch Dienstmädchen, so wie du. Und er schien sich hier im Haus gut zu führen, aber dann, nun ...«
    »Was dann, Mistress Jassy? Was geschah dann?« Anne war neugierig geworden. Seit dem Abend vor sechs Wochen verspürte sie stets Unbehagen und Angst in Corpus' Gegenwart, trotzdem hatte sie ein wenig Mitleid mit ihm. Er war alt und missgestaltet und wurde von den anderen Dienstboten nur widerwillig geduldet. Bald würde der Tag kommen, an dem er keine Kraft mehr hatte, und dann ... Sie schauderte.
    »Das ist eine lange Geschichte, mein Kind, eine Geschichte, die für das Mitgefühl deines Herrn spricht. Corpus war schon immer ein Narr, aber er war früher auch ein begnadeter Koch, genauso gut wie Maitre Gilles. Aber er hat getrunken, musst du wissen, und gestohlen - nun, stehlen tun sie alle, auch wenn ich versuche, es in Maßen zu halten -, aber Corpus ging zu weit. Mit dem Gewinn aus seinen Diebstählen hielt er sich einen Geliebten außerhalb des Hauses. Das Problem war, dass es sich um einen aus der Abtei geflohenen Novizen handelte.«
    Anne war entsetzt.
    »So etwas gibt es, musst du wissen. Manche Männer lieben andere Männer ...«, erklärte Jassy.
    »Das weiß ich, aber er ... In der Nacht, als Edward zur Welt kam, hat er versucht...«
    »Dich zu belästigen? Ja, so etwas tut er, der ekelhafte, alte Kerl. Aber nur, weil er Frauen hasst. Er kann nicht bekommen, was er möchte, also nimmt er sich, was er kriegt.«
    Jassy hatte unterdessen den Brotschrank geöffnet und einen kleinen Laib herausgeholt. »Bring mir einen kleinen Topf, Kind, ich mache uns etwas zu essen.«
    Die Haushälterin gab das grob zerteilte Brot in den kleinen Eisentopf, den Anne ihr gereicht hatte, dann goss sie reichlich Dünnbier hinein und schüttete eine ordentliche Portion von dem kostbaren Zuckerhut und etwas geriebene Muskatnuss dazu, die sie beide aus Maitre Gilles Schatzschrank holten, den sie mit den Schlüsseln, die an ihrem Gürtel hingen, geöffnet hatte. Sie warf sogar noch ein Stück getrocknete Zitronenschale hinein, die im vergangenen Jahr aus Italien geliefert worden war. Anne stellte den Topf auf den Dreifuß über das Feuer, und während der Trank heiß wurde, forderte Jassy das Mädchen auf, sich zu ihr zu setzen.
    Anne war überwältigt. Ihre Beziehung zu der Haushälterin war stets sehr förmlich gewesen - schließlich war sie nur eine von vielen Dienstboten, die die alte Dame mit eiserner Hand regierte -, und sie hatte keine Ahnung, warum sie jetzt so freundlich zu ihr war.
    »Steh nicht da und glotz, Mädchen.« Ihr Ton klang sehr vertraulich, und Anne nahm eilig neben Jassy auf der alten, abgewetzten Bank - einem der wenigen Möbelstücke in der Küche - Platz.
    »Es gibt eine Menge, was du über dieses Haus und seine Bewohner nicht wissen kannst. Ich kenne sie schon mein ganzes Leben, und es geschieht kaum etwas, von dem ich nichts weiß ... selbst was mit dem alten Mistkerl da drüben geschehen ist.« Die Haushälterin schwieg einen Augenblick und sammelte ihre Gedanken, ehe sie Anne prüfend musterte. »Du bist ein ungewöhnliches Mädchen, Anne. Sehr ungewöhnlich.«
    »Ich?« Anne verzog erstaunt das Gesicht.
    »Ja, sehr ungewöhnlich, aber ich glaube, du bist ehrlich. Nun, ich denke, Eitelkeit ist ein Fluch, denn alles Irdische ist vergänglich. Der Herr hat dir ein hübsches Gesicht und einen hübschen Körper geschenkt -

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