Der Eid der Heilerin
Chor. Zur Empörung der Ordensbrüder zwang sie Anne, sich zu setzen, drückte ihr den Kopf auf die Knie.
Lady Margaret bemerkte zwar, dass etwas nicht stimmte, aber es schickte sich nicht, den König stehen zu lassen, der am Eingang der Kapelle mit Mathew und John Lambert plauderte. Als der König Mathew zum neuen Erben gratulierte, wandte sich das Gespräch der drei Herren unweigerlich dem Thema Kinder zu. Auch die Königin stand kurz vor der Niederkunft und war offiziell an ihre Gemächer gefesselt. Sie durfte sich bis nach der Geburt bei Hof nicht mehr blicken lassen, und, ja, auch sie war in dieser Abtei getauft worden.
Doch nun richtete sich Edwards Aufmerksamkeit auf ein Mädchen, das, auf eine ältere Frau gestützt, aus dem Inneren der Kapelle auf ihn zukam. Irgendwo hatte er dieses Mädchen schon einmal gesehen. Er besaß ein gutes Gedächtnis für Gesichter - eine sehr nützliche Eigenschaft für einen König. Das Festmahl an Mathew Cuttifers Namenstag - es war das reizende Dienstmädchen, das ihm mit zitternder Hand Wein nachgeschenkt hatte. Und sie hatte etwas Außerordentliches geleistet, wie er sich zu erinnern glaubte. Ja, sie hatte Lady Margaret von ihrer Schwindsucht geheilt. Offensichtlich war sie nun selbst geschwächt.
»Lady Margaret, mir scheint, Eurer kleinen Zofe - die Heilerin, nicht wahr? - geht es nicht gut. Vielleicht bedarf sie Eurer Fürsorge.« Er hatte sehr leise und dezent gesprochen, doch da alle Umstehenden an seinen königlichen Lippen hingen, wandte sich die gesamte Gesellschaft zu Jassy um, die die schwankende Anne nach draußen führte.
»Euer Majestät sind sehr aufmerksam«, erwiderte Margaret und bemerkte jetzt ebenfalls, dass Anne erschreckend blass aussah und sich kaum auf den Beinen halten konnte.
»Lady Margaret, ich möchte Euch nicht länger aufhalten.« Edward gab seinen Begleitern ein Zeichen, beugte sich hinab, um Lady Margarets und Mistress Avelines Hand zu küssen - sehr kalt, registrierte Edward, und die Augen wie tot -, und wandte sich scheinbar zum Gehen. Doch dann blieb er stehen und war mit einem Schritt bei Anne.
»Fühlst du dich krank, mein Täubchen?«
Die arme Anne, hätte sich doch der Boden vor ihr aufgetan und sie verschlungen! Mit Jassys Unterstützung sank sie in einen Knicks, obwohl sie fürchtete, sich übergeben zu müssen und die gestickten Schuhe des Königs zu besudeln.
»Nein, Sire. Die Sonne vielleicht...«
»Ach ja, der Sonne heller Glanz!«, bemerkte Lord William Hastings, der Großkämmerer des Königs und einer seiner engsten Vertrauten, scheinbar beiläufig. Die Umstehenden lachten verstohlen über dieses geistreiche Wortspiel, denn das Abzeichen des Königs stellte eine Sonne mit einem gleißend hellen Strahlenkranz dar. Wieder ein Mädchen, das von seinem Licht geblendet war, ein weiteres in einer endlosen Reihe. Der König runzelte missbilligend die Stirn, worauf das Lachen jäh erstarb.
»Ich werde meinen Arzt, Master Moss, zu Eurer Dienerin schicken, Master Cuttifer.« Der König schritt, die Höflinge im Schlepptau, von dannen und ließ Mathew, Margaret und die anderen Familienmitglieder und Gäste erstaunt zurück.
»Hat er das ernst gemeint?«, fragte Lady Margaret.
Mathew zuckte verwirrt die Achseln. »Ich nehme an, er wollte einfach höflich sein.«
John Lambert spürte einen Anflug von Neid. Die Beziehung zwischen dem König und Mathew Cuttifer verdiente größte Aufmerksamkeit. Wenn der Wind jetzt aus dieser Richtung wehte, wäre es gewiss klug, seine eigenen guten Beziehungen zu Blessing House intensiver zu pflegen. Aber warum gab sich Edward mit einem Dienstmädchen ab? Das erschien ihm unangemessen. Er betrachtete das Mädchen abschätzend - und glaubte den Grund zu kennen. Lady Margaret sprach gerade mit ihr, und als Anne zu ihr aufsah, fiel das Licht auf ihr Gesicht, so dass er sah, was auch der König gesehen hatte: ein Gesicht von unübertroffener Feinheit, aus dem die letzten kindlichen Rundungen soeben erst verschwunden waren - und noch etwas anderes. Stärke. Seltsamerweise erinnerte sie ihn an jemanden, an jemanden, den er in ferner Vergangenheit einmal gekannt hatte ... Lambert schüttelte verblüfft den Kopf. Diese Ähnlichkeit war unmöglich. Das seltsame Licht in der Abtei spielte ihm einen Streich.
»Wie meint Ihr, Lambert, was habt Ihr gesagt?«
»Nichts, Mathew. Ich habe nichts gesagt ...« Doch als er Anne genauer musterte, kannte seine Verblüffung keine Grenzen. Diese Ähnlichkeit war
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