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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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wäre es vielleicht gut, wenn wir einen Augenblick unter vier Augen ...« Jassy hatte bereits die Tür von Mathew Cuttifers Arbeitszimmer geöffnet, als wollte sie Deborah und ihre Ziehtochter aus Blessing House und aus ihrem Leben scheuchen ...
    Doch da geschah etwas Seltsames. Etwas Verwirrendes. Das Mädchen lächelte. Es war ein strahlendes Lächeln, das ihr Gesicht so verwandelte, dass Herr und Haushälterin erstaunt innehielten - einen Augenblick lang war es, als stünde sie im Schein eines Lichts. Mathew blickte sich sogar im Zimmer um, um herauszufinden, woher das Licht käme.
    »Sir, ich heiße Anne, und ich bin hier, weil ich arbeiten will. Ich werde Eurer Frau eine gute Zofe sein, das versichere ich Euch, und ich werde ihr mit ganzem Herzen dienen!«, sagte Anne, und ihre Stimme war von einer glockenhellen Klarheit, die den Raum wie Musik erfüllte.
    Deborah sah verstohlen zu Anne. Hatten diese selbstsicheren Worte sie überrascht? Es war schwer zu sagen.
    Mathew war durchaus überrascht - aber nicht verärgert, denn das Mädchen hatte keine Vermessenheit gezeigt, sondern aufrichtig gesprochen. Er wippte kurz auf den Fersen und sah seine Haushälterin an, die kaum merklich die Achseln zuckte und dann respektvoll die Augen senkte. Anne, die ganz auf Mathew konzentriert war, bemerkte die Geste nicht, doch sie genügte voll und ganz. Mathew räusperte sich. »Nun gut. Du darfst für einen Zeitraum, den deine Ziehmutter und ich noch aushandeln werden, unter meinem Dach bleiben. Solltest du dich als nützliches Mitglied des Hausstandes erweisen, wird deine Anstellung ab dem nächsten Quartalstag bestätigt werden«, hörte er sich zu seiner Überraschung sagen.
    Es waren förmliche Worte, doch wurden sie von Anne mit einem so innig dankbaren Blick belohnt, dass Mathew eine Hitzewelle spürte, die von seinem Hals bis zum Kopf stieg.
    Gewiss, dank seiner religiösen Bildung war er durchaus gefestigt, was die Versuchungen des Fleisches anbetraf, und gegen die Dankbarkeit von Frauen und Mädchen hätte er in den letzten zwanzig Jahren gefeit sein müssen, doch das Leben steckte manchmal voller Überraschungen, selbst in seinem Alter. Hastig ermahnte er sich, dass das Mädchen, sollte es etwas taugen, auch frommer Unterweisungen bedurfte. Sie musste noch viel lernen, und zwar schnell. »Jassy wird dich in allem Notwendigen unterweisen. Du wirst ihr und Aveline, der Zofe meiner Frau, gehorchen, wie du mir gehorchen würdest. Dies ist ein gottgefälliges Haus. Sorge dafür, dass der Herr immer in deinem Herzen weilt und nicht Satan darin Platz findet.« Mit diesen Worten deutete er Richtung Tür. Das Gespräch war beendet.
    Und so begann Annes Zeit in Blessing House. Deborah umarmte und küsste sie ein letztes Mal inniglich, ehe sie sich auf den Rückweg durch Londons Straßen machte.
    »Bete für mich, wie ich für dich beten werde, mein Kind. Ich werde dich vermissen.«
    Für mehr blieb keine Zeit, denn Jassy hielt nicht viel von Gefühlen, »Sag Lebwohl, Mädchen. Du musst noch viel lernen, bevor du deiner Herrin eine brauchbare Dienerin wirst.«
    Das Letzte, was Anne von Deborah sah, war ihr dunkelroter Umhang, als sie in den dunklen Straßen der Stadt verschwand. Dann war sie allein unter Fremden.
    Blessing House, das Stadt- und Geschäftshaus von Mathew Cuttifer, war ein sehr altes Gebäude, wie Anne feststellte, als sie hinter der Haushälterin herlief, die sie in ihre Kammer brachte. Die dicken Mauern und die dunklen, verwinkelten Gänge ließen noch die Festung oder die kleine Burg erahnen, die dieses große Haus einmal gewesen war.
    Viele Ecken in Blessing House waren so düster, weil die hohen, schmalen Fenster kaum mehr als leicht verbreiterte Schießscharten waren. Mathew Cuttifer erachtete es nicht als notwendig, in dem Teil des Hauses, in dem er seine Geschäfte betrieb, der teuren, neuen Mode nach großen, bleiverglasten Fenstern nachzueifern - dies behielt er sich für seine privaten Gemächer vor. Die massiven Mauern verströmten eine Kälte, gegen die die zahlreichen Kamine und Kohlepfannen, die sie auf dem Weg sah, kaum etwas ausrichten konnten. Vielleicht war der Bach, der unter der einen Seite des Gebäudes durchführte, der Grund für die klamme Kälte. Früher hatte das Haus wahrscheinlich mit der Rückseite zum Fluss gestanden und war deshalb gut zu verteidigen gewesen. Nun aber war es von einem Gewirr enger Straßen umgeben und wurde von den angrenzenden großen und kleinen Häusern

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