Der Eid der Heilerin
verwunderlich. Elizabeth war die Witwe eines undurchsichtigen Ritters der Lancasters und wollte wahrscheinlich jemanden aus der alten Garde, der sich bei Hof auskannte. Aber während Moss bei der Königin im Augenblick hoch angesehen war, insbesondere weil sie ihm ihr eigenes Leben und das ihrer Tochter, der Prinzessin Elizabeth, verdankte, war der Einfluss dieser alten Frau seiner Meinung nach immer noch unverhältnismäßig groß.
Vielleicht ist ihre Zeit bald vorbei, dachte er und rieb sich verstohlen die Hände. Und dieses Mädchen könnte dabei eine Schlüsselrolle spielen, falls die Königin Gefallen an ihr fand - und natürlich auch der König. Er würde dafür sorgen, dass er als ihr Förderer anerkannt wurde, aber solche Dinge mussten mit Vorsicht und Diskretion angegangen werden. »Mistress Anne, ich bin gebeten worden, Euch mit der gütigen Erlaubnis von Lady Jehanne der Königin vorzustellen.«
Jehanne runzelte die Stirn. Um ihr zu schmeicheln, hatte er sie mit einem Titel angesprochen, doch sein Anliegen war höchst ungewöhnlich. Natürlich hätte sie Anne der Königin nach dem Festmahl vorgestellt, wenn Elizabeth in ihren Gemächern für den Nachmittag eingekleidet wurde. Das Kind war keine Adlige, nicht irgendeines Edelmanns Tochter, die von einem einflussreichen Förderer bei Hof eingeführt werden musste. Seltsam, dass sie trotzdem der Königin in aller Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte. »Und wer hat Euch darum gebeten, Doktor Moss?«
»Lord Hastings, Madam. Doch ich glaube, es ist der Wunsch der Königin.« Natürlich wusste die Königin von nichts. Es war der König, der dieses Treffen mithilfe von Moss veranlasst hatte. Moss war von Annes Erscheinung sehr angetan. Sie sah reizend aus in ihrem maulbeerfarbenen Kleid - eine Farbe, die bei den meisten Frauen eher heikel war...
»Nun gut, Anne, dann geh mit Doktor Moss. Und wenn du den Hofknicks machst, denke daran, dass du nur sprechen darfst, wenn sie dich anspricht. Halte die Augen gesenkt, außer sie befiehlt dir aufzuschauen.«
Mit einem dicken Kloß im Hals und weichen Knien stolperte Anne hinter Moss zur königlichen Tafel. Es war, als zöge sie der König, der unter einem reich bestickten Baldachin saß, geradezu magnetisch an. Näher und immer näher kam sie. Das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie glaubte, jeder, an dem sie vorbeikam, müsse es hören. Und dann stand sie vor der Ehrentafel, hinter der die prächtig gekleideten Herren und Damen thronten. Gesenkten Hauptes, den Schleier vor das Gesicht gezogen, beugte sie die Knie und sank in das Binsenkraut.
Richard Wydeville, der Schwiegervater des Königs, langweilte sich und war verärgert. Er war mehrere Plätze vom König entfernt platziert worden, und seine Frau, die Herzogin Jacquetta, saß neben William Hastings, jenem Mann, der sich zunehmend gegen die Interessen seiner Familie zu stellen schien. Darüber hinaus hatte er unglücklicherweise, während er dumpf vor sich hin brütete, viel zu reichlich gegessen und getrunken und fühlte sich nun entsprechend unwohl. Sein eng anliegendes, elegantes Wams aus pelzbesetztem Brokat spannte um seine Körpermitte, die, wie er sich gestand, in letzter Zeit reichlich erschlafft war. Wenn er sein gutes Aussehen behalten wollte, würde er die Fastentage sorgfaltiger einhalten müssen. Doch Spannungen machten ihn stets hungrig; er brauchte mehr Abwechslung, dann würde er schon aufhören zu schlemmen.
In diesem Moment geschah etwas Merkwürdiges. Seiner Tochter, der Königin, wurde ein Dienstmädchen vorgestellt. Diese ungewöhnliche Verletzung des Protokolls machte ihn stutzig, doch da bemerkte er den Ausdruck auf Edwards Gesicht. Dieser schien sich sehr - zu sehr - für das Mädchen zu interessieren, auch wenn er es zu verbergen suchte.
Richard Wydeville hatte ein ausgeprägtes Gespür dafür, woher der Wind bei Hofe blies, denn die Zukunft seiner weit verzweigten, kostspieligen Familie hing davon ab, dass die Königin weiterhin in der Gunst des Königs stand. Richard musterte das Mädchen vor ihnen kalt. Mit seinem nonnen- haft gebeugten Haupt machte es einen unschuldigen Eindruck, aber das sagte nichts aus. So etwas brachten auch die gewieftesten Dirnen zustande. Auf ein Zeichen der Königin hob das Mädchen den Kopf und stand auf. Wydeville schnalzte mit der Zunge. Ein reizvolles Mädchen, sehr reizvoll. Er würde Lizzy - er korrigierte sich - der Königin einen Wink geben müssen.
Seine Tochter jedoch nahm die
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