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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Königinmutter und zwei ihrer jüngeren Schwestern. Jehanne knickste mit der Unbefangenheit einer routinierten Dienerin, dann trat sie, begleitet von Jane, vor die Königin. Jane brachte ein Samtgewand mit langer Schleppe in der Farbe von Eichenlaub herbei und breitete es gefallig auf einer großen Ruhebank aus.
    »Was ist das?« Die Königin funkelte Jehanne böse an. »Ich sagte, ich möchte heute das grüne Samtkleid tragen.«
    »Sehr wohl, Eure Majestät. Jane!« Das Mädchen eilte wieder nach vorn. Diesmal hielt sie ein Gewand aus tiefgrünem Samt im Arm, dessen Unterkleid mit roten und cremeweißen Damaststreifen abgesetzt war.
    Die Königin musterte das Kleid, ehe sie langsam auf Jane zuging. Alle im Raum verstummten. »Jehanne, komm her. Sieh dir das an.« Die alte Frau besah sich sorgfältig die Stelle, auf die die Königin mit dem Finger zeigte. »Wer ist dafür verantwortlich?« Am Saum des Unterkleides war ein Lehmspritzer von der Größe einer kleinen Silbermünze zu sehen. Die Stimme der Königin war unheilvoll leise.
    »Ich, Euer Gnaden«, antwortete Jehanne ruhig. »Ich werde sofort danach sehen lassen.«
    Einmal und noch einmal schlug die Königin Jehanne mit der flachen Hand ins Gesicht, wobei ihre beringten Finger lange, blutige Kratzer hinterließen. »Zu spät«, bemerkte Elizabeth Wydeville beiläufig.
    Anne war vor Schreck wie gelähmt, ebenso wie die anderen Frauen im Raum. Abgesehen vom Geräusch scharf eingezogenen Atems war es totenstill.
    »Dann werde ich eben das Rotbraune tragen, aber so etwas wird nicht mehr vorkommen.«
    Die alte Frau schüttelte den Kopf und begann mit ruhiger Hand, das silberne Gewand der Königin am Rücken aufzuschnüren. »Wollt Ihr Euch waschen, Majestät?«, fragte sie mit einer Stimme, fest wie ein Fels.
    »Nein.«
    Still gingen Rose und Evelyn mit ihren Krügen rückwärts zur Tür hinaus, sorgsam darauf bedacht, kein Wasser zu verschütten. Die Hofdamen scharten sich um die Königin und betonten, wie vorteilhaft das rotbraune Kleid ihre weiße Haut hervorhebe. Mit unerschütterlicher Miene entfernte Jehanne die silberne Netzhaube und die Krone und machte sich daran, das Haar der Königin auszubürsten. Anne stockte beinahe der Atem, als sie sah, wie lang es war. Die fein gewellte, goldene Pracht fiel fast bis zu ihren Füßen.
    »Mädchen, komm her.« Die Königin hatte Anne angesprochen. »Bist du blind oder taub?« In der Stimme der Königin schwang ein gefährlicher Unterton mit. Hastig packte Jehanne Annes Arm und zog sie vor die Königin, wo das Mädchen glücklicherweise reflexartig in einen tiefen Knicks sank. »Hier, sieh dir das an ...«
    Ängstlich sah Anne auf. Elizabeth hatte eine Strähne ihres Haares ergriffen und hielt sie ins Licht. »Schau, hier - und hier. Es dunkelt nach. Bald wird es die Farbe von Flachs haben.« Sie hatte Recht. Bei näherem Hinsehen sah man, dass die feinen Strähnen nicht ganz gleichmäßig golden waren - vor allem am Haaransatz, wo sich eine deutlich dunklere Farbe zeigte.
    »Nun, Tochter, du hast drei Kinder geboren. Es ist allgemein bekannt, dass blondes Haar nach Geburten dunkler wird ...«
    Elizabeth brachte ihre Mutter mit einem eisigen Blick zum Schweigen. Herzogin Jacquetta klappte den Mund hörbar zu. Die Königin wandte sich wieder Anne zu. »Nun? Was meinst du?«
    Anne wagte zu sprechen. »Ich könnte eine Spülung zubereiten, die das Nachdunkeln aufhält, Euer Majestät.« Anne blickte auf und brachte vor Angst kein Wort mehr heraus. Die Königin musterte sie kalt.
    »Nun gut. Ich werde den König auf die Falkenjagd begleiten, sobald er mit dem Gesandten aus Burgund fertig ist. Wenn ich wiederkomme, wirst du mir die Spülung machen, und dann werden wir weitersehen. Jehanne!«
    Sogleich brach hektische Betriebsamkeit aus. Die Königin wurde in das rotbraune Samtgewand gekleidet, das anstößige Haar unter einem mit Silberdraht verstärkten Turban aus goldener Seide von der Größe eines kleinen Kürbisses versteckt, der mit langen, grünen Bändern am Kopf und unter dem Kinn befestigt wurde. Als die sechs Kammerjungfern Jehanne beim Einschnüren und Einkleiden zur Hand gingen, staunte Anne über den festen, schlanken Körper der Königin. Sie besaß zierliche Brüste und Arme, und ihr Bauch war sanft gewölbt wie eine umgedrehte Schale. Gott hatte der Königin wahrhaft viele natürliche Reize geschenkt. Als die plappernde Schar der Hofdamen mit der Königin das Ankleidezimmer verließ und die Kammerjungfern

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