Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
auszulaufen.
»Ich will kein Blut an den Händen!«, sagte Grimaldi mit großer Geste. »So eine Katastrophe wie die in Marseille muss unbedingt vermieden werden!«
»Wobei die Bürger von Marseille davon nichts ahnen konnten«, schwächte der Templer ab. »Ferreus und Posqueres waren als halbwegs ehrliche Kaufleute bekannt, ihre Absichten nicht voraussehbar.«
»Eben deshalb gehen wir auch keine Risiken ein«, schloss Oberto Grimaldi. »Dieser Nikolaus und seine Leute verlassen Genua nicht auf dem Seeweg. Hat irgendjemand Vorschläge dazu, wie wir sie möglichst schnell dazu bringen, die Stadt auf dem Landweg zu räumen?«
Hannes kämpfte also einen aussichtslosen Kampf, zudem erhielt er von Nikolaus wenig Unterstützung. Der Junge predigte zwar täglich auf der Piazza de Ferrari, schuf sich damit aber keine Freunde in der Stadt. Schließlich wütete er immer wieder gegen die gierige Kaufmannschaft und die gottlosen Senatoren, die nicht willens waren, seinen Kreuzzug zu unterstützen.
»Woher weiß er das?«, fragte sich Konstanze, als der Junge sowohl gegen die Ghibellinen, die Unterstützer des staufischen Kaisertums, als auch gegen die Guelfen, Anhänger der Welfen und des Papstes, wortreich wetterte.
»Das hat ihm zumindest kein Bauernjunge aus dem Rheinland eingeflüstert«, meinte Armand. »Dieser Hannes ist zwarein begnadeter Stratege, aber völlig ungebildet. Dazu hat er kein Interesse daran, die Stadtväter zu brüskieren, er verhandelt freundlich und sehr geschickt. Hier dagegen ist die Strategie eine andere: Nikolaus macht sich in Genua unbeliebt. Er hetzt sein Heer gegen die Stadt auf, es kommt immer häufiger zu Übergriffen. Noch ein paar Tage, und der Senat wirft alle hinaus.«
»Und du denkst, das will Nikolaus?«, fragte Gisela.
»Das wollen diejenigen, die den Kreuzzug steuern«, mutmaßte Armand. »Ich bin gespannt, wo es als Nächstes hingeht.«
Noch während der Verhandlungen um die Schiffe reduzierte sich das Heer zusehends. Viele junge und vor allem erwachsene Kreuzfahrer hatten genug. Täglich brachen Gruppen auf, um in die deutschen Lande zurückzukehren. Andere nahmen in der Stadt oder im Umland Stellungen an.
Die Bürger Genuas hatten nun auch aufgehört, Nikolaus und seine Anhänger zu verpflegen. Die Domherren machten ihm unmissverständlich klar, dass er in der Kirche nicht mehr geduldet war. Letztlich wurde die Lage in der Stadt unhaltbar, und das restliche Heer zog ab. Aber in der Frage, wohin man sich von Genua aus wenden sollte, setzte sich erst mal Hannes durch. Der Junge war weit entfernt davon, aufzugeben.
»Wenn Genua uns keine Schiffe stellt, dann ziehen wir eben nach Pisa!«, erklärte er an das Heer gewandt. Anscheinend reichte es ihm, sich stets diplomatisch über Nikolaus und die Mönche verständigen zu müssen. »Pisa und Genua sind seit Jahrhunderten Rivalen und zurzeit wohl schwer verfeindet. Wenn die Bürger von Pisa hören, wie uns die Genuesen behandelt haben, werden sie uns Schiffe zur Verfügung stellen!«
»Das könnte sogar stimmen!«, sagte Armand bewundernd. Hannes’ Geschicklichkeit und politische Weitsicht fasziniertenihn immer mehr. »Auf jeden Fall sind die Genuesen Nikolaus los. Sie werden drei Kreuze hinter ihm machen!«
»Und was sollen wir tun, Monseigneur Armand?« Karl und die anderen Anführer aus Armands Heer wandten sich erneut verunsichert an den Ritter. »Wir würden eigentlich gern heimkehren – ich glaube nicht, dass Pisa uns Schiffe stellt, und es ist ja auch … Der Herr hat kein Wunder gewirkt, als wir das Meer durchqueren wollten. Warum sollte er jetzt eins wirken, wenn wir vor den Sarazenen beten? Ich hatte gedacht … also, wenn die Mohren sehen, wie wir da durchs Meer kommen und singen und beten und triumphieren über die Naturgewalten … dann werden sie überzeugt sein von der Stärke des Herrn. Aber so …«
So würden sie nur ein zerlumpter Haufen von Streunern sein, die dem gut gerüsteten Heer des Sultans entgegentraten. Die Soldaten würden sie bestenfalls auslachen – oder niedermähen wie der Schnitter das Korn.
Armand nickte. »Es ist nur nicht so einfach, Karl«, hielt er dem Jungen vor. »Du hast den Kreuzfahrer-Eid geleistet. Er verpflichtet dich, bis ans Ende deines Lebens für Jerusalem zu kämpfen.«
Karl sah ihn betroffen an. »Aber … aber wir wussten doch nicht …«
»Das spielt keine Rolle, Karl«, sagte Armand streng. »Geschworen ist geschworen, und der Einzige, der dich und die anderen
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