Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
paar Gaunern hingegeben, andere Mädchen waren auch nicht so … tugendhaft. Aber Roland hat euch doch erst darauf gebracht! Und die anderen Jungen haben gestohlen und geraubt, und das ist noch viel schlimmer als Hurerei!«
Magdalena schluchzte. Sie war erkennbar nicht fähig und willens, Sünden gegeneinander aufzurechnen. Konstanze entschied sich für ein anderes Vorgehen.
»Du hast jedenfalls keine Todsünde begangen, Lenchen!«, erklärte sie dem Mädchen resolut. »Du hast nichts getan, was Gott nicht vergibt. Also gehen wir gleich morgen in den Dom – oder zur Kirche der Templer, da ist Armand, der wird uns weiterhelfen. Jedenfalls finden wir einen Priester, der dir die Beichte abnimmt. Du wirst beichten und bereuen und Sühne leisten. Und dann ist alles gut. Jedenfalls kann Nikolaus es dann nicht mehr auf dich schieben, wenn sich das Meer nicht teilt.«
Magdalena schniefte. »Ich … ich kann doch nicht von Auge zu Auge mit so einem Kirchenherrn reden! Ich weiß nicht mal, ob ich in den Dom darf, das ist vielleicht auch eine Sünde. Weil … ich weiß nämlich gar nicht, ob ich überhaupt getauft bin. Mein Stiefvater hat gesagt, meine Mutter hätte mich nicht einsegnen lassen, und ich wär eigentlich nicht mehr als ein Heidenkind. Ich wär nur ein Dreck.«
Konstanze fühlte unbändige Wut – auf diesen angeblichen Stiefvater und all die anderen Kerle, die das Kind bereitsmissbraucht hatten. Die ihm Angst und Schmerzen bereiteten und ihm dabei auch noch einredeten, es selbst habe Schuld.
»Hör zu, Magdalena, du bist kein Dreck! Selbst wenn du nicht getauft wärest. Schau mal, wir waren auf dem Weg nach Jerusalem, um die Heiden zu bekehren. So viel Sorgen machte sich Gott um sie, so viel Liebe hat er für sie, dass er uns ins Heilige Land führen wollte, um sie zu bekehren. Kennst du nicht das Gleichnis vom verlorenen Sohn? Oder vom guten Hirten? Der Herr liebt ein verlorenes Schaf besonders.«
»Wir können dich ja auch taufen lassen.« Gisela hielt nicht viel von Gleichniserzählungen. »Wenn wir sowieso in der Kirche sind. Der Priester nimmt dir die Beichte ab und tauft dich – oder umgekehrt …«
Konstanze fiel etwas ein. »Dafür brauchen wir nicht mal einen Priester!«, erklärte sie. »Das Sakrament der Taufe kann jeder spenden. Meine Großmutter war Hebamme in unserem Dorf, und ich war oft dabei, wie sie ein schwächliches Neugeborenes taufte.«
»Und das gilt?«, fragte Magdalena ungläubig.
Konstanze bejahte.
»Willst du mich dann taufen?« Magdalena sah sie mit großen Kinderaugen an. »Machst du das für mich? Weil … die Taufe wäscht doch die Sünden ab, oder?«
Konstanze streichelte über ihr Haar und hieß sie, niederzuknien. Dann nahm sie zuerst nur eine Handvoll Wasser – und schließlich in einem raschen Entschluss den ganzen Krug.
»Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!«, sagte sie fest und leerte den Krug über Magdalenas blondes Haar.
Gisela und Dimma sprachen ein Gebet.
Magdalena lächelte unter Tränen. »Und jetzt … jetzt bin ich keine Sünderin mehr? Das … das Wasser wäscht alles ab?«
Konstanze nickte. »Das Wasser wäscht alles ab.«
Kapitel 4
Am nächsten Tag war die Starre vom größten Teil des Kreuzfahrerheeres abgefallen. Die ersten Menschen begannen, neue Pläne zu schmieden. Am leichtesten fiel dies all den Taschendieben und Marketenderinnen, die den Zug begleitet hatten. Genua war eine reichere und größere Handelsstadt als alle Orte, an denen sie ihr Gewerbe bislang betrieben hatten. Sie konnte noch ein paar weitere Gauner ernähren.
Die Bader und Gaukler, die halbherzig mitgereist waren, beschlossen, einfach weiterzuziehen. Bestimmt war irgendwo in der Gegend ein Jahrmarkt. Ein paar enttäuschte Heranwachsende wollten nach Hause, und einige weitere bemühten sich in Genua um eine Stellung.
Donna Corradine nahm ein Mädchen auf, das sich in ihrer Suppenküche als anstellig erwiesen hatte, und erklärte sich Konstanze gegenüber auch bereit, Magdalena zu behalten.
»Wenn sie möchte, natürlich. Und wenn es Euch recht ist. Man muss ja erst sehen, was jetzt weiter geschieht.«
Aber dann, gegen Mittag, als sich schon erste Aufbruchstimmung ausbreitete, erschien Nikolaus. Der Knabe begab sich, gekleidet in sein weißes Pilgergewand und begleitet von den Mönchen, auf die Stufen des Doms.
Konstanze und Gisela, die mit Magdalena aus einer der kleineren Kirchen kamen, in der das Mädchen gebeichtet und ihre
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