Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
raspeln!Ich denke, du wirst dich eher in der Bedienung eines Abakus üben müssen, nicht wahr?«
Armands Plan bestand darin, sich in einem der großen Handelshäuser als Schreiber oder Übersetzer zu verdingen. Mit seiner Bildung und seiner Weltgewandtheit konnte er sicher schnell aufsteigen. Letztlich würde aber alles von den Templern abhängen. Eine Empfehlung von ihnen war Gold wert. Armand gedachte also zunächst, seinen Auftrag zur Zufriedenheit des Großkomturs zu erfüllen. Er würde dem Kreuzzug bis an sein Ende folgen.
»Ein Leben als Kaufmann ist eines Ritters nicht würdig!«, erklärte allerdings Malik. »Du kannst ebenso gut mit mir kommen und ein Lehen in meinem Land haben.«
Armand schüttelte den Kopf. »Nicht als Christ«, sagte er ruhig. »Und bei all den Einwänden, die man gegen die Politik der Kirche haben kann – ich glaube an Gott, Christus und den Heiligen Geist. Eher gebe ich meinen Stand auf als meinen Glauben!«
Gisela nickte. Sie hatte sich zuerst vor einem geordneten Leben gefürchtet, aber inzwischen sah sie der Sache gelassen entgegen. Arno Dompfaff, ihr alter Freund aus Kindheitstagen, hatte schließlich ganz frei und zufrieden gelebt – und sogar über die Ritter befohlen, die er zur Begleitung seiner Handelswaren nach Meißen eingestellt hatte. Und Donna Corradine in Genua herrschte über einen Palazzo, der weitaus kostbarer eingerichtet und komfortabler ausgestattet war als jede Burg, die sie je besucht hatte.
Gut, als Kaufmannsfrau würde sie keinen Minnehof führen können. Aber auch Donna Corradine führte ein ausgefülltes Leben. Die Frauen der Stadträte kümmerten sich um Armenpflege, unterstützten Waisenhäuser und Hospitäler. Gisela fand das eigentlich viel erfüllender als die Unterhaltung eines Nonnenklosters, die man von adligen Frauen erwartete, und mindestens so anregend wie die Durchführung endlos langweiliger Zerstreuungen am Minnehof.
Konstanze schwieg zu all den Überlegungen. Sie wusste inzwischen, dass sie Malik al-Kamil in Liebe zugetan war, und sie glaubte, dass der Prinz ihre Gefühle erwiderte. Zwar hatte er sie nie geküsst oder war ihr auch nur nahe gerückt, wenn sie auf einem warmen Felsen am Meer rasteten. Aber er ritt den ganzen Tag neben ihr, unterhielt sich mit ihr und machte ihr kleine Geschenke.
»Eigentlich gebühren Euch Gold und Edelsteine«, entschuldigte er sich, als er ihr ein buntes, mit Muschelschalen besetztes Kästchen gab. Sie hatte es in einem Fischerdorf bewundert. »Aber in diesen kleinen Ansiedlungen gibt es nichts, was Eurer Schönheit würdig wäre. Am liebsten würde ich Euch alle Schatzkammern des Morgenlandes öffnen. Ich möchte Euch, nur mit Ketten aus Gold bekleidet, durch die Gärten des Paradieses führen …«
Konstanze errötete bei diesen Schmeicheleien, erst recht, wenn Malik ihre Schönheit am Abend in seiner eigenen Sprache besang. Dann nahm er mitunter auch verstohlen ihre Hand, lächelte ihr zu. Die leichteste Berührung schien für ihn wertvoller zu sein als die Küsse, die man im Abendland nur beiläufig tauschte. Konstanze erschauerte, wenn seine langen, dunklen Finger die ihren kurz streiften. Sie hörte die Verse der arabischen und maurischen Dichter, vorgetragen von seiner weichen, weit tragenden Stimme, und träumte von Umarmungen und Küssen im Schatten von Palmen und Mimosen.
Aber was ihre Zukunft an der Seite des Prinzen anging, war Konstanze noch weit weniger sicher als Gisela und ihr Armand. Eines war jedenfalls klar: Malik konnte seinem Stand und seinem Glauben nicht für sie abschwören. Wenn überhaupt, so musste sie ihm entgegenkommen.
Konstanze versuchte, nicht daran zu denken, aber sie konnte ihren regen Geist auch nicht abstellen. So beobachtete sie ihren Prinzen immerzu und versuchte herauszufinden, was an ihm anders war. Was war so furchtbar an den Muselmanen, dass die christliche Kirche sie derart vehement verfolgte?Sehr viele Unterschiede erkannte sie eigentlich nicht. Malik war ein Ritter wie Armand, höfisch erzogen und somit noch gewandter in den ritterlichen Tugenden als der Sohn eines Landadeligen.
Während Armand sich stets anstrengen musste, um Giselas höfische Sprache zu sprechen und Spiele zu spielen, ging die freundliche Tändelei dem Sarazenen ganz selbstverständlich von den Lippen. Er wand auch Bemerkungen wie »Bei Gott!« in seine Rede ein wie alle anderen. Nur wenn er arabisch sprach, sagte er »Bei Allah«, und dann war nicht von Gott dem Herrn die Rede,
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