Der Einbruch des Meeres
jedenfalls vor der Zeit der furchtbaren Litze beendigt sein, die jeden Verkehr über die saharischen Onthas so ungemein erschwert.
Gabes hatte, wie erwähnt, keinen eigentlichen Hafen. Die alte, fast völlig versandete Bucht von Tnoupe war nur für Schiffe mit geringem Tiefgange zugänglich. Der Golf, der zwischen den Inselgruppen der Kerkmah und der Lotophagen einen Halbkreis bildet, hat den Namen »Kleine Syrte« erhalten, und diese Kleine Syrte ist bei den Seefahrern ebenso gefürchtet wie die Große, die so reich an Schiffsunfällen ist.
An der Mündung des Oued Melah war es, wo die ersten Arbeiten für den neuen Hafen, den Ausgangspunkt des Kanales, begannen. Von der Uferhöhe bei Gabes, die zwanzig Kilometer breit war und von der man zweiundzwanzig Millionen Kubikmeter Erde und Sand abgetragen hatte, war an dieser Stelle nur noch ein schmaler Damm übrig, der das Wasser des Golfes zurückhielt. Dieser Damm war in wenigen Tagen zu beseitigen, natürlich sollte das aber erst im letzten Augenblick geschehen, wenn in den Schotts alle Schutzvorrichtungen vollendet waren. Außerdem mußte an derselben Stelle die Erbauung einer Brücke in der Linie nach Gabes und nach der tripolitanischen Grenze für die Eisenbahn von Kairouan nach Feriana und Gafsa vorgesehen werden.
Übrigens war es diese erste Teilstrecke des Kanales durch die Uferhöhe von Gabes, die die meiste Arbeit und die größten Unkosten verursacht hatte. An manchen Stellen erreicht dieser Uferwall hundert Meter Höhe, abgesehen von zwei, fünfzig bis sechzig Meter hohen Lücken, und der Sand kam hier gemischt mit felsigem Gestein vor, dessen Beseitigung sehr schwierig war.
Von der Mündung des Oued Melah aus verlief der Kanal nach den Ebenen des Djerid hin, und der Ingenieur mit seiner Begleitmannschaft folgte während der ersten Etappen bald dessen nördlichem und bald dessen südlichem Ufer.
Der Ingenieur von Schaller und der Kapitän Hardigan ritten an der Spitze unter dem Geleite einiger vom Wachtmeister Nicol geführten Spahis. Diesen folgten die Wagen, die den Proviant und das Lagermaterial beförderten. Endlich bildete eine vom Leutnant Vilette befehligte Rotte den Nachtrab.
Die Expedition, die ja nur den einzigen Zweck verfolgte, den Verlauf des Kanales in seiner ganzen Ausdehnung zu besichtigen und von dem Zustand der Dinge bis zum Schott Rharsa und dann bis zum Schott Melrir Kenntnis zu nehmen, sollte nur mit kurzen Tagreisen vorwärts dringen. Wenn es wahr ist, daß die von Oase zu Oase ziehenden Karawanen auf ihrem Wege im Süden um die Berge und Hochebenen Algeriens und Tunesiens in zehn bis zwölf Tagen gelegentlich vierhundert Kilometer überwinden, so gedachte der Ingenieur doch binnen vierundzwanzig Stunden nicht mehr als etwa ein Dutzend zurückzulegen.
»Wir gehen ja nicht auf Entdeckungen aus, sagte von Schaller, sondern wollen uns nur von dem Zustande der Arbeiten überzeugen, die unsre Vorgänger uns zurückgelassen haben.
– Ganz recht, lieber Freund, antwortete der Kapitän Hardigan, in diesem Teile des Djerid ist auch schon seit langer Zeit nichts mehr zu entdecken. Was aber mich angeht, bin ich gar nicht böse darüber, diese Gegenden noch ein letztes Mal zu besuchen, bevor sie eine so gründliche Umwandlung erfahren. Wird ihnen diese auch von Vorteil sein?
– Das versteht sich, Herr Kapitän, und wenn es Ihnen beliebt, einmal hierher zurückzukehren…
– So nach einer Mandel Jahre…
– O nein, ich bin fest überzeugt, daß Sie sehr bald einen lebhaften Handelsverkehr da finden würden, wo jetzt nur die Einöde der Wüste herrscht.
– Die doch auch ihren Reiz hatte, lieber Ingenieur…
– Je nun, wenn die Verlassenheit und Leere für jemand einen Reiz haben kann…
– Für Naturen wie die Ihrige freilich nicht, antwortete der Kapitän Hardigan, wer weiß aber, ob die alten und treuen Bewunderer der Natur nicht Ursache haben werden, die Veränderungen zu beklagen, die die Menschen ihr aufzwingen.
– O, lieber Kapitän, beklagen Sie sich nur nicht allzuviel, denn wenn die ganze Sahara unter dem Niveau des Mittelländischen Meeres läge, würden wir sie vom Golfe von Gabes an bis zur Küste des Atlantischen Ozeans in ein einziges Meer verwandeln.
Der Ingenieur und der Kapitän ritten an der Spitze. (S. 71.)
– Ja, ja, das sieht Ihnen ähnlich, erklärte der Offizier lächelnd. Die modernen Ingenieure scheuen vor gar nichts mehr zurück. Ließe man sie gewähren… wahrlich, sie füllten am Ende
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