Der Einbruch des Meeres
Stimme und schlug dabei so heftig auf den Tisch, daß seine Karte bis in die Mitte des Zimmers flog.
Wer hob sie ihm aber vorsichtig auf… wer brachte sie ihm zwischen den Zähnen wieder?… Das war der Hund, der bis zu diesem denkwürdigen Tage Misto geheißen hatte.
»Danke schön, Kamerad, danke, rief der Wachtmeister, auf seinen doppelten Sieg ebenso stolz, als wenn er zwei Fahnen des Feindes erobert hätte. Coupe-à-Coeur, hörst du? Ich habe die höchsten Blätter von Herzen gestochen!«
Der Hund bellte freudig zustimmend.
»Jawohl, Herzen gestochen, wiederholte Nicol, und nun bist du nicht mehr Misto, nein, du nennst dich von heute an… nun ja: Coupe-à-Coeur! Gefällt dir das?«
Ohne Zweifel gefiel ihm der Name, dem prächtigen Tiere, denn es sprang lustig umher und dann mit einem Satze auf die Knie seines Herrn, der dadurch beinahe umgeworfen worden wäre.
Und Misto hatte seinen alten Namen bald vergessen und hörte auf den neuen, Coupe-à-Coeur, der seitdem im Regiment so ehrenhaft bekannt war.
Selbstverständlich wurde das Projekt einer neuen Expedition vom Wachtmeister Nicol und vom Brigadier Pistache mit größter Befriedigung begrüßt. Jedenfalls würde es aber auch Va d’l’avant und Coupe-à-Coeur keine geringere Freude bereiten.
Am Abend vor dem Aufbruche führte der Wachtmeister in Gegenwart des Brigadiers noch ein »Gespräch« mit den beiden Unzertrennlichen, ein Gespräch, das jeden Zweifel in jener Beziehung verscheuchte.
»Na, mein alter Va d’l’avant, begann Nicol, den Hals des Pferdes streichelnd, morgen ziehen wir also wieder ins Feld!«
Allem Anscheine nach verstand Va d’l’avant, was sein Herr sagte, denn er fing an, freudig zu wiehern, und Coupe-à-Coeur antwortete darauf mit einem so lustigen Gebell, daß man sich über dessen Bedeutung gar nicht täuschen konnte.
»Ja ja, mein braver Hund, du wirst natürlich auch mit dabei sein!« setzte der Wachtmeister hinzu, während Coupe-à-Coeur umhersprang, als wollte er einen Satz auf Va d’l’avants Rücken machen. Es kam wirklich dann und wann vor, daß er auf dessen Sattel sprang, und das Pferd schien nicht weniger erfreut, den Hund zu tragen, wie dieser, sich von ihm tragen zu lassen.
»Nun ja doch… morgen geht’s aus Gabes fort, redete der Wachtmeister weiter auf die Tiere ein, morgen ziehen wir hinaus nach den Schotts!… Ich hoffe, ihr werdet beide zum Abmarsch fertig sein und niemals hinter den andern zurückbleiben!«
Neues Wiehern und neues Bellen als Antwort auf die Mahnung.
»Da fällt mir ein, nahm Nicol wieder das Wort, daß ja der Teufelskerl, der Hadjar, heimlich ausgerissen ist… dieser verwünschte Tuareg, den wir doch gefangen hatten!«
Wenn Va d’l’avant und Coupe-à-Coeur das noch nicht wußten, so hatten sie es jetzt erfahren. Ah… dieser Schurke von Tuareg hatte sich vorläufig gerettet.
»Na, ihr, meine alten Kameraden, erklärte der Wachtmeister, es ist recht leicht möglich, daß wir den Burschen, den Hadjar, da draußen treffen, und dann heißt es, ihn einholen und dingfest machen!«
Coupe-à-Coeur war schon bereit, hinauszustürmen, und Va d’l’avant wartete nur, von seinem Herrn bestiegen zu werden, um jenem zu folgen.
»Nur etwas Geduld!… Morgen… morgen!« wiederholte der Wachtmeister, während er zurücktrat.
Zur Zeit, wo die Tiere sprechen könnten und ohne Zweifel weniger Dummheiten sagen würden, als die Menschen, hätten Va d’l’avant und Coupe-à-Coeur jedenfalls geantwortet:
»Also morgen, Wachtmeister, morgen!«
Sechstes Kapitel.
Von Gabes nach Tozeur
Am 17. März, morgens fünf Uhr, verließ die Expedition Gabes. Die eben über den Horizont der Kleinen Syrte heraufsteigende Sonne goß einen glänzenden Schimmer über die weiten, sandigen Ebenen des Gebietes der Schotts.
Das Wetter war schön; ein leichter Nordwind trieb vereinzelte Wolken vor sich her, die sich schon auflösten, ehe sie den entgegengesetzten Horizont erreichten.
Die Winterzeit nahte sich jetzt ihrem Ende. Im Klima des östlichen Afrikas folgen die Jahreszeiten einander mit überraschender Regelmäßigkeit. Die Regenzeit, hier »Ech-chta« genannt, dauert kaum die Monate Januar und Februar hindurch. Der Sommer mit seiner kaum erträglichen Hitze beginnt im Mai und hält bis zum Oktober, unter vorherrschend zwischen Nordost und Nordwest schwankender Windrichtung, an. Von Schaller und seine Begleiter traten ihren Zug also unter günstigen Umständen an. Die Besichtigungsreise sollte auch
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