Der Einbruch des Meeres
der junge Mann aus einer reichen Fabrikantenfamilie, und jedenfalls stand ihm eine glänzende Zukunft bevor. Er war aus der Kavallerieschule von Saumur hervorgegangen und stieg jedenfalls bald zu höhern Dienstgraden auf.
Der Leutnant Vilette sollte zufällig gerade nach Frankreich zurückgerufen werden, als die Expedition durch das Djerid beschlossen worden war. Sobald er aber erfuhr, daß diese unter dem Befehle Hardigans stehen würde, suchte er sofort seinen Vorgesetzten auf.
»Herr Kapitän, sagte er, ich würde gerade jetzt gern bei Ihnen bleiben…
– Und ich es ebenso gern sehen, wenn Sie bei mir blieben, antwortete Hardigan in gleichem, gut kameradschaftlichem Tone.
– Meine Rückkehr nach Frankreich könnte doch ebensogut nach zwei Monaten erfolgen…
– O, ebensogut, lieber Vilette, ja sogar noch besser, denn dann brächten Sie die neuesten Mitteilungen über das Saharameer mit nach Hause.
– Ganz recht, Herr Kapitän, und wir werden ja diese algerischen Schotts doch zum letztenmal sehen, bevor sie unter dem Wasser verschwinden.
– Ein Verschwinden, das höchstwahrscheinlich so lange bestehen wird, wie das alte Afrika selbst, antwortete Hardigan, das heißt so lange, wie es unsre Erde gibt.
– Das darf man wohl annehmen, Herr Kapitän. Nun also, es ist abgemacht: ich werde das Vergnügen haben, an diesem kleinen Feldzuge, zweifelsohne nur einem einfachen Spazierritte, teilzunehmen?
– Einem einfachen Spazierritte, wie Sie sagen, lieber Vilette, vor allem, seit wir das Land von dem Unholde Hadjar befreit haben…
– Ein Fang, der Ihnen alle Ehre macht, Herr Kapitän.
– Und Ihnen, lieber Leutnant, nicht minder!«
Natürlich fand dieses Gespräch zwischen dem Kapitän Hardigan und dem Leutnant Vilette zu einer Zeit statt, wo der Tuareghäuptling noch nicht aus dem Bordj von Gabes entflohen war. Nach seinem Entweichen aber lag es nahe, neue Überfälle und Angriffe zu befürchten, ja es würde jenem sogar ein Leichtes sein, einen Aufstand aller der Stämme anzuzetteln, deren Lebensbedingungen durch das Binnemeer verändert werden mußten.
Die Expedition mußte also bei ihrem Zuge durch das Ser Djerid auf ihrer Hut sein, und der Kapitän Hardigan würde das gewiß nicht vernachlässigen.
»Ja, ja, mein braver Hund!« (S. 69.)
Daß der Wachtmeister Nicol nicht zur Begleitmannschaft gehört hätte, wäre doch gar zu erstaunlich gewesen. Wo der Kapitän Hardigan hinging, da mußte der Wachtmeister selbstverständlich dabei sein. Er war bei dem Treffen beteiligt gewesen, das zur Gefangennahme Hadjars geführt hatte, und so mußte er also auch bei der Expedition sein, bei der sein Kapitän vielleicht nochmals mit den Targui ins Handgemenge kommen konnte.
Der fünfunddreißigjährige Unteroffizier hatte, immer bei demselben Spahiregimente, schon mehrere Dienstperioden hinter sich. Die Doppelgalons des Wachtmeisters genügten seinem Ehrgeize. Er verlangte ja nach weiter nichts, als nach endlicher Verabschiedung von seiner reichlich verdienten Pension leben zu können, doch auch das nur so spät wie möglich. Ein Soldat von unerschütterlicher Ausdauer, der sich gegebenen Falles auch selbst zu helfen wußte, kannte Nicol nichts als die Disziplin. Diese bildete für ihn das höchste Gesetz des Lebens, und er hätte sie am liebsten für das Zivil ebenso eingeführt gesehen, wie für das Militär. Wenn er aber zugab, daß der Mensch nur geschaffen sei, um unter der Fahne zu dienen, so erschien ihm dieser doch nur unvollkommen, wenn ihm nicht, was ihm noch fehlte, durch das Pferd verliehen wäre.
So pflegte er gern zu sagen:
»Va d’l’avant und ich, wir sind nur eins: ich sein Kopf, er meine Beine. Ihr werdet doch zugeben, daß Pferdebeine für den Marsch weit besser geeignet sind als Menschenbeine. Und auch wenn wir deren vier hätten – wir haben aber nur zwei – müßten wir zur gleichen Leistung doch mindestens sechs haben!«
Da sieht man, daß der Wachtmeister jedenfalls die Tausendfüßler beneidete. Doch einerlei, sein Pferd und er waren wie für einander geschaffen.
Nicol, ein Mann von übermittlerer Größe mit breiten Schultern und gut entwickelter Brust, hatte es verstanden, mager zu bleiben, und hätte sich eher jeder Kasteiung unterzogen, als sich dick und fett werden zu sehen. Ja, er hätte sich für die unglücklichste Kreatur gehalten, wenn bei ihm die leichteste Erscheinung von Embonpoint zutage getreten wäre. Dadurch, daß er seinen blauen Rock fest zuschnallte
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