Der Einbruch des Meeres
und die Knöpfe seines Dolmans immer in die Knopflöcher zwängte, wußte er schon jede Fettablagerung zu hintertreiben, wenn es bei seiner trockenen Konstitution überhaupt zur Bildung einer solchen gekommen wäre. Nicol war ein ausgesprochener Rotkopf mit kurzgeschnittenen Haaren, dichtem Kinn-und starkem Schnurrbart, mit grauen, immer umherrollenden Augen und so scharfem Sehvermögen, daß er wie eine Schwalbe noch fünfzig Schritt weit eine Fliege erkennen konnte, was die aufrichtigste Bewunderung des Brigadiers Pistache erregte.
Eine lustige Natur, dieser Bursche, und in seinem sechzigsten Jahre das gewiß noch ebenso wie jetzt im fünfundzwanzigsten, einer, der nie über Hunger klagte, wenn die tägliche Ration auch einmal ein paar Stunden ausblieb, so wenig wie über Durst, selbst wenn die Quellen in den grenzenlosen, von der Sonne der Sahara ausgedörrten Ebenen immer seltener wurden. Es war eben einer jener glücklichen Provençalen, der gleichmäßig heiter blieb und für den der Wachtmeister Nicol »eine kleine Schwäche« hatte. Man sah beide auch sehr häufig zusammen, und während der ganzen Expedition folgte der eine gewiß stets den Fußstapfen des andern. Fügen wir noch hinzu, daß die Begleitmannschaft aus einer gewissen Anzahl Spahis bestehen sollte, daß Kamele und Maulesel unter der Fährung von Eingebornen bestimmt waren, das Lagermaterial und die Lebensmittelvorräte der kleinen Truppe zu transportieren, so hat der Leser damit die gesamte Begleitung des Ingenieurs von Schaller kennen gelernt.
Ist auch nicht weiter von der besondern Art der Pferde zu reden, die die Offiziere und die Mannschaft ritten, so muß hier doch das des Wachtmeisters Nicol erwähnt werden, und ebenso dessen Hund, der ihn treu wie sein Schatten überallhin begleitete.
Daß das Pferd von seinem Herrn den bezeichnenden Namen Va d’l’avant (etwa »Vorwärts« oder »Voraus«) bekommen hatte, erklärt sich ja von selbst. Es rechtfertigte diesen schon dadurch, daß es immer nahe am Durchgehen war, stets die andern überholen wollte, und es bedurfte eines so guten Reiters wie Nicols, sich mit ihm in Reih und Glied zu halten. Wir wissen jedoch schon, daß Roß und Reiter einander vortrefflich verstanden.
Wenn es aber zulässig erscheint, daß ein Pferd Va d’l’avant heißt, wie hat dann ein Hund den Namen Coupe-à-Coeur (etwa: Rot, Herzen gestochen!) erhalten können? Hatte dieser Hand vielleicht die Eigenschaften eines Munito oder andrer Berühmtheiten aus dem Hundegeschlechte? Trat er etwa gelegentlich in einem Jahrmarktszirkus auf oder spielte er öffentlich Karte?
Nein, der Begleiter Nicols und Va d’l’avants konnte sich keiner solchen gesellschaftlichen Talente rühmen. Es war nur ein mutiges und treues Tier, das dem Regimente Ehre machte und von allen, von den Offizieren wie von der Mannschaft, geliebt, gepflegt und gehätschelt wurde. Sein wirklicher Herr und Gebieter war jedoch der Wachtmeister, wie Va d’l’avant sein vertrautester Freund.
Nicol liebte nun über alle Maßen das Kartenspiel Rams, es war tatsächlich seine einzige Leidenschaft, der er in den Mußestunden des Garnisonlebens fröhnte; er konnte sich nicht vorstellen, daß es für einfache Sterbliche einen unterhaltenderen Zeitvertreib gäbe. Bei seiner großen Fertigkeit darin konnte er sich auch vieler Siege rühmen, die ihm schließlich den Spitznamen »Marschall Rams« eingetragen hatten, worauf er nicht wenig stolz war.
Zwei Jahre vorher hatte Nicol nun einen ganz besonders glücklichen Schlag gemacht, dessen er sich gern erinnerte. Er saß damals mit zwei Kameraden in einem Café in Tunis an einem Tische, worauf die zweiunddreißig Kartenblätter ausgebreitet lagen. Es war eine lange Sitzung gewesen, die auffällig zugunsten seiner Freunde verlaufen war, während ihn das Glück und seine gewohnte Maëstria völlig verlassen hatten. Jeder der drei Spieler hatte schon drei Partien gewonnen; es war die höchste Zeit, ins Quartier zurückzukehren… nur noch eine letzte Partie sollte den endlichen Sieg entscheiden. Marschall Rams ahnte schon, daß er diese nicht gewinnen würde, er saß nun heute einmal im Pech. Die Spieler hatten jeder nur noch eine Karte in der Hand; seine beiden Gegner legten auf: Herzendame… Herzenkönig… da waren sie voller Hoffnung. Sie konnten wohl annehmen, daß das Herzenaß, der höchste Trumpf, sich noch unter den elf Karten des Talons befände.
»Herzen gestochen!« rief Nicol mit weithin schallender
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