Der Einbruch des Meeres
Kuriosum… Sie bemerken ja wohl auch, daß die Tritte unsrer Pferde klingen, als gingen die Tiere auf einem hohlen Gewölbe…
– Ja, wirklich, bestätigte der Leutnant, und das legt doch die Frage nahe, ob ihnen der Boden unter den Hufen nicht einmal ganz fehlen könnte.
– Jedenfalls heißt es, vorsichtig sein, sagte der Kapitän Hardigan. Ich empfehle das auch meinen Leuten immer und immer wieder. Man weiß ja, daß aus den tiefsten Stellen dieser Bodensenkungen das Wasser schon manchmal plötzlich hervorgequollen und den Pferden bis an die Brust gestiegen ist.
– Das ist allerdings vorgekommen, und gerade auch bei der frühern Untersuchung dieser Sebkha. Man kennt auch Beispiele von ganzen Karawanen, die auf dem Wege von Tozeur nach Nefta, Gafsa und andern Orten dieser Gegend plötzlich tief eingesunken waren.
– Eine Gegend, die weder Meer noch Binnensee, und doch kein Land im wahren Sinne des Wortes ist! bemerkte Leutnant Vilette.
– Was hier nicht vorkommt, nahm von Schaller wieder das Wort, das findet man im Rharsa und im Melrir. Außer überkrusteten Wasserflächen enthalten diese Schotts auch mehrfach offenes Wasser in Becken, die unter dem Meeresniveau liegen.
– Na, lieber Ingenieur, da ist es doch wirklich traurig, daß das bei diesem Schott nicht auch der Fall ist! Dann hätte es nur eines dreißig Kilometer langen Kanals bedurft, das Wasser des Golfs von Gabes hineinzuleiten, und jetzt führe man schon seit so und so vielen Jahren auf dem Saharameer umher!
– Ja, das ist sehr bedauerlich, stimmte von Schaller ein, und nicht allein, weil dann die Dauer und der Umfang der Arbeiten beträchtlich vermindert worden wären, sondern auch, weil das neue Meer sich sozusagen verdoppelt hätte. Statt siebentausendzweihundert Quadratkilometer oder siebenhundertzwanzigtausend Hektar würde es deren dann fast eine Million fünfmalhunderttausend bedeckt haben. Auf der Karte dieser Gegend sieht man, daß das Fedjedj und das Djerid eine größere Ausdehnung haben als die Schotts von Rharsa und Melrir, und das zweite wird nicht einmal ganz von Wasser überflutet sein.
– Könnte man nach alledem, sagte der Leutnant Vilette, nicht vermuten, daß der Erdboden – da wir hier über so unzuverlässige Strecken hinziehen – nicht einmal noch weiter einsinkt, vorzüglich wenn er erst von dem Kanalwasser durchfeuchtet ist? Wer weiß denn, ob nicht der ganze Süden von Algerien und Tunis, infolge einer allmählichen oder plötzlichen Veränderung des Erdbodens, zum Becken eines Ozeanes wird, wenn das Mittelländische Meer diese Landesteile vom Osten bis zum Westen überschwemmt?
– Das würde ja den von den Engländern ausgegangenen Plan eines marokkanischen Meeres verwirklichen! sagte der Kapitän Hardigan. Da läßt sich unser Freund Vilette doch nicht wenig von Nebelbildern mit fortreißen, von den Schreckgespenstern, die in den Erzählungen der Araber spuken! Wahrlich es sieht aus, als wollte er mit dem wackeren Va d’l’avant unsers ebenso wackern Nicol in der Schnelligkeit wetteifern!
– Nun im Ernst, Herr Kapitän, erwiderte der junge Offizier lächelnd, ich glaube doch, daß das alles eintreten könnte.
– Und wie denken Sie darüber, lieber Herr von Schaller?
– Ich liebe es, mich nur auf greifbare Tatsachen, auf zuverlässige Beobachtungen zu stützen, erklärte der Ingenieur. Je mehr ich aber den Erdboden dieser Gegend studiert habe, desto mehr erkenne ich die abnormen Verhältnisse, die hier vorliegen, und da kann man sich allerdings fragen, welche Veränderungen im Laufe der Zeit und infolge nicht vorauszusehender Ereignisse hier wohl eintreten könnten. Inzwischen aber wollen wir uns begnügen und es getrost der Zukunft überlassen, ob sie einmal das herrliche Projekt eines allumfassenden Saharameeres verwirklicht oder nicht!«
Nach mehreren Tagereisen, die die Expedition nach Limagnes, Seftima und Bou-Abdallah führten – lauter Ortschaften auf der Landzunge zwischen dem Fedjedj und dem Djerid – war die Besichtigung der alten Kanallinie bis Tozeur beendet, und hier traf die kleine Truppe am Abend des 30. März ein.
Siebentes Kapitel.
Tozeur und Nefta.
»Hier, sagte an diesem Abend der Wachtmeister Nicol zu dem Brigadier Pistache und zu François, hier befinden wir uns nun in dem eigentlichen Lande der Datteln, in der richtigen ‘Dattelfabrik’, wie mein Kapitän die ganze Gegend nennt, und wie sie meine Kameraden Va d’l’avant und Coupe-à-Coeur, wären sie nur des Sprechens
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