Der Einfaltspinsel
und begab sich auf seinen Platz. Doch bevor er sich setzte, öffnete er das Handgepäckfach und suchte ein Buch. Er brauchte eine Weile, um es herauszuholen, doch irgendwann gelang es ihm, und um zu vermeiden, noch mal mit Coca-Cola beschüttet zu werden, bot er an, am Gang zu sitzen.
»Die kleine Lady kann den Fensterplatz haben«, sagte er freundlich lächelnd. »Hier habe ich mehr Beinfreiheit.«
Eva meinte, das sei echt nett von ihm. (Allmählich passte sie ihre Ausdrucksweise dem Amerikanischen an, und »echt« war genauso gut wie »wirklich«.) Außerdem lernte sie den Unterschied zwischen netten Amerikanern, die sich nicht beschwerten, wenn eine der Vierlinge Flüssigkeiten auf sie kippte, sondern höflich blieben und sie kleine Ladys nannten, und der anderen Sorte, die »Fuck« sagten und sie ein Nilpferd nannten, nur weil sie ihnen auf die Zehen trat. Danach verlief der Flug recht harmonisch. Es wurde ein Film gezeigt, der die Mädchen interessierte, und Eva konzentrierte sich auf das, was sie Onkel Wally und Tante Joan sagen würde. Wie freundlich es von ihnen sei, sie einzuladen und die Flugtickets zu bezahlen, zumal sie sonst unmöglich hätten kommen können, da das Schulgeld, die Kleidung etc. der vier so teuer kamen. Dabei nickte sie eine Weile ein, und erst als die Stewardess wieder mit dem Getränkewagen vorbeikam und die Mädchen noch etwas aßen, wachte sie auf und achtete insbesondere darauf, dass nichts mehr auf anderer Leute Hosen verschüttet wurde.
Sie unterhielt sich sogar mit dem netten Mann auf dem Platz am Gang, der sich erkundigte, ob es ihr erster Flug in die USA sei und wohin die Reise gehe, und der unbedingt alles über sie und die Mädchen erfahren wollte und sich sogar ihre Namen notierte und sagte, falls sie mal runter nach Florida kämen, hier sei seine Adresse. Eva mochte ihn wirklich; er war so charmant. Und sie erzählte ihm alles darüber, dass Wally Immelmann Chef der Firma Immelmann Enterprises in Wilma, Tennessee, sei, ein Haus am See in den Smoky Mountains habe, und dass ihre Tante Joan ihn geheiratet hatte, als er Pilot bei der Air Force im Luftwaffenstützpunkt Lakenheath war, und der Mann sagte, er sei Sol Campito und arbeite für ein Finanzunternehmen mit Sitz in Miami, und natürlich habe er von Immelmann Enterprises gehört, wie jeder, so wichtig sei diese Firma. Eine Stunde später machte er die nächste »Hygienepause«, ein für Eva neuer Begriff, was hieß, wieder auf die Toilette zu gehen. Diesmal brauchte er nicht so lange, und als er zurückkam, legte er sein Buch in das Gepäckfach und meinte, er werde mal ein Nickerchen einlegen, weil er noch den Anschlussflug nach Miami erwischen müsse und er schon einen langen Flug hinter sich habe, nämlich aus München, Deutschland, wo er geschäftlich zu tun gehabt habe. Und so nahm der Flug seinen Fortgang, und nichts Unangenehmes geschah, außer dass Penelope ständig fragte, wann sie endlich in Atlanta landeten, weil sie sich langweilte und Sammy sie nicht auf den Fensterplatz ließ, damit sie sich die Wolken angucken konnte. Hinter ihnen beobachteten die beiden Männer in den grauen Anzügen den Mann, der Samantha seinen Fensterplatz überlassen hatte. Der eine verschwand auf der Toilette, wo er fünf Minuten blieb. Nach einer halben Stunde folgte ihm der zweite Anzug, der sogar noch länger blieb. Als er zurückkam und sich setzte, zuckt er die Achseln. Als Eva schließlich richtig müde wurde, sank der Jumbo langsam tiefer, und die Landschaft schien zu ihnen nach oben zu kommen, das Fahrgestell wurde ausgefahren, die Landeklappe war oben, und sie waren unten, nach nur einem leichten Schlag, einem Ruck und dem Umkehrschub.
»Das Land der grenzenlosen Freiheit«, sagte der Mann lächelnd, als sie ihre Taschen aus den Handgepäckfächern nehmen durften. Er stand auf und war Eva und den Vierlingen behilflich, ihre Sachen einzusammeln. Anschließend verstellte er netterweise den anderen Passagieren den Weg, damit die fünf zuerst das Flugzeug verlassen konnten. Dann ließ er noch etlichen anderen Passagieren den Vortritt, ehe er selbst das Flugzeug verließ. Als die fünf ihr aufgegebenes Gepäck vom Förderband geholt hatten, war er spurlos verschwunden. Er saß auf der Toilette und notierte sich Adresse und Namen, die Eva ihm vor dem Aussteigen genannt hatte. Zwanzig Minuten später passierten Eva und die Vierlinge Pass- und Zollkontrolle, wo sie eine ganze Weile aufgehalten wurden und sich ein Schäferhund für
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