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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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geschliffen. Aufgrund unbewußter Zuckungen wand er sich wie ein Wahnsinniger in den Gurten. Er sah, wie Kasreyns Blick sich in sein Inneres bohrte, er hörte die Mühsal seiner Atmung, fühlte Gewalt jeden Teil seines Fleischs zerfetzen. Alle seine Sinne funktionierten normal. Aber der Schmerz bedeutete ihm nichts. Er versank in der Leere und verschwand, eine Wahrnehmung ohne Inhalt und Konsequenzen. Nicht einmal die Konvulsionen seines Körpers brachten ihn dazu, den Kopf zur Seite zu drehen.
    Dann endete die Drangsal mit einem Schlag. Der Wesir lehnte sich zurück, fing leise und tonlos durch die Zähne zu pfeifen an, während er über das weitere Vorgehen nachdachte. Einen Moment später entschloß er sich zu etwas. Mit zwei weiteren Linsen verstärkte er die Verzerrung von Covenants Sicht. Dann hob er sein Okular erneut ans Auge. Sofort durchschoß Feuer Covenant, als wäre jeder Tropfen seines Bluts, alles Gewebe seines Fleischs aus Öl und Zunder. Die Feuersbrunst durchbrauste ihn wie das Heulen einer Hexe. Die Glut schmorte ihm das Herz, versengte seine Lungen, verbrannte die Eingeweide. Das Mark in seinen Knochen loderte und zerlief wie Schlacke. Wüste Glut flammte in seine Leere, als könne keine Macht der Welt verhindern, daß sie die verborgenen Relikte seiner Seele in Brand setzte. Seine gesamten Sinne funktionierten normal. Er hätte in dieser Qual unwiderruflich den Verstand verlieren müssen. Aber der Abgrund des Ausgehöhltseins übertraf mit seiner Bodenlosigkeit jedes Feuer. Auch dagegen hatten die Elohim ihn gefestigt.
    Mit einem Aufknurren der Enttäuschung schaute Kasreyn wieder weg. Für einen Moment wirkte er ratlos. Doch dann straffte erneuerte Entschlossenheit ihm den Rücken. Mit lebhaften Bewegungen entfernte er eine der bereits verwendeten Linsen und tauschte sie gegen mehrere andere aus. Nun konnte Covenant nichts mehr sehen als eine einzige Verschwommenheit, die ihm Tränen in die Augen trieb. In der Mitte seines verwaschenen Blickfelds erschien Kasreyns goldenes Okular, als der Wesir seine Suggestivkraft von neuem in Covenants Inneres richtete. Ein oder zwei Sekunden lang geschah nichts. Dann erweiterte sich das verschwommene Sichtfeld, und das Labor begann sich zu drehen. Erst rotierte es langsam, dann mit schwindelerregender Schnelligkeit. Während der Drehbewegung lösten sich die Wände auf. Der Stuhl, auf dem Covenant saß, schwebte empor, obwohl Kasreyns suggestiver Blick keineswegs wich. Covenant wirbelte hinaus in Nacht. Aber es handelte sich um eine Nacht, wie er noch keine gesehen hatte. Ihr fehlte jeder Stern, jeder Sinn. Ihre Schwärze umspannte die ganze Welt und war lediglich eine Spiegelung seines inneren Abgrunds, in den er nun fiel. Kasreyn stieß ihn in die Tiefe des eigenen Inneren. Er stürzte wie ein Stein, trudelte immer schneller, während der Sturz sich ausdehnte. Er durchquerte Glutlohe, die ihn verbrannte, durchstand die Martern von Klingen, bis er sie in seinem Fall zurückließ. Immer weiter kreiselte er im Strudeln des Wirbelns abwärts, im Schwindeln seiner alten Höhenfurcht. Es schleuderte ihn hinab, als wolle es ihn gegen eine harte Mauer des Verderbens schmettern. Dennoch sah er alles, hörte alles. Kasreyns Auge blieb immerzu vor ihm, durchdrang die Verschwommenheit der Linsen. »Erschlagt ihn!« hörte er wie aus großer Ferne die Stimme des Wesirs in scharfem Ton anordnen. Doch der Befehl galt jemand anderem, und er ging Covenant so oder so nichts an. Da erhoben sich vom Grund des Wirbels Bilder, die Covenant zur Kenntnis zu nehmen sich fürchtete. Kasreyns Blick zwang sie herauf wie aus einer Grube. Sie stiegen auf und sausten, während er unvermindert fiel, um Covenants Kopf. Die Vernichtung des Stabes des Gesetzes. Blut floß in Strömen, um das Sonnenfeuer zu nähren. Memla und Linden brachen unterm Zorn des na-Mhoram zusammen, weil er sie nicht schützen konnte. Seine Freunde staken in der Sandbastei fest und waren allem ausgeliefert. Die Suche gescheitert. Das Land lag wehrlos unter dem Sonnenübel. Alle Erde auf Gnade oder Ungnade in Lord Fouls Gewalt. Weil er sie nicht zu retten vermochte. Die Elohim hatten ihm alles genommen, was einen Unterschied ausgemacht hätte. Sie hatten ihn um jede Möglichkeit gebracht, die Menschen und das Land, die er liebte, zu erreichen oder ihnen beizustehen. Geschlagen mit Lepra, isoliert durch sein Gift, war er endlich zu nicht mehr als einem Opfer geworden. Einem vollkommenen Opfer. Die Wahrnehmungen, die

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