Der einsame Baum - Covenant 05
ist unerträglich.«
Covenant fürchtete sich davor, zu Linden zu treten, womöglich feststellen zu müssen, daß sie verletzt war oder Schlimmeres geschehen. In seiner Panik hielt er sich an Findail. Seine Fäuste krallten sich in das cremefarbene Gewand des Elohim. Seine Macht ballte sich zusammen, um Findails hagere Gestalt zu durchlohen. »Was ist mit ihr passiert?«
Im ersten Moment wirkten Findails gelbliche Augen, als dächte er darüber nach, ob es am gescheitesten sei, einfach in Covenants Griff zu entmaterialisieren. »Hüte dein Feuer, Ringträger!« sagte er jedoch statt dessen. »Du begreifst nicht das Ausmaß der Gefahr. In deinen unsanften Händen hältst du wie ein ganz und gar zerbrechliches Kleinod das Schicksal der Erde.« Covenant verloderte eine Flamme des Zorns. »Ich werde dir antworten«, fügte Findail sofort hinzu. Covenant ließ ihn nicht los. Das Wühlen der wilden Magie in ihm glich einer Schlangengrube. Sein Herz schlug am Rande erbittertsten Grimms. »Sie ist dem Schweigen anheimgefallen«, sagte Findail bedächtig, musterte Covenant, während er sprach, »so wie du beim Elohim -Fest dem Schweigen überantwortet worden bist. Indem sie in dich eindrang, nahm sie die Stille, die dich schützte, in sich auf.« Er redete, als läge ihm daran, Covenant noch etwas anderes mitzuteilen, eine implizite Rechtfertigung dessen, was die Elohim getan hatten. Doch Covenant hatte für dergleichen kein Gehör. Nur die Verkrampfung seiner Fäuste hinderte ihn an einem Wutausbruch. »Aber in ihr wird sie nicht andauern«, ergänzte Findail. »Die Stille war dein, für dich bestimmt und auf dich abgestellt, und deshalb wird dies Weib alsbald wieder wie zuvor sein.« Er sprach mit erhöhtem Nachdruck weiter. »Daher bedarf's keiner wilden Magie. Du mußt sie im Zaume halten. Verstehst du meine Worte nicht? Die Rettung der Erde hängt ab von deinem inneren Stillhalten.«
Covenant hörte nicht länger zu. Er stieß Findail von sich. Aus dem Öffnen seiner Hände zuckte Feuer, als zünde etwas. Er drehte sich zu Linden um, schmetterte die Eisenbänder von ihren Armen, die Ketten von ihren Füßen, dann streckte er die Arme aus, um sie aufzufangen. Doch sie sackte nicht zusammen; reflexhaft bewahrte ihr Körper das Gleichgewicht, als veranlaßten ihre allgemeinsten Instinkte sie zum Meiden seiner Umarmung. Langsam hob sie den Kopf. Im gelben und weißen Licht von Fackeln und wilder Magie sah Covenant, ihre Augen waren leer. Ach, Linden! Er konnte sich nicht zurückhalten, er schlang die Arme um sie, drückte und wiegte sie, als wäre sie ein Kind. Er selbst war so gewesen. Und sie hatte es sich für ihn angetan. Seine Umarmung breitete einen Mantel aus silbrigem Schimmer um sie. Das Fließen seiner Macht umhüllte sie, als wäre er dazu außerstande, sie je wieder aus seinen Armen zu lassen. Er wußte nicht, ob er weinen sollte, weil sie noch lebte, oder den jämmerlichen Zustand verfluchen, in dem sie sich befand. Sie selber hatte sich das angetan. Für ihn.
»Ur-Lord, der Wesir wird den Wunsch hegen, uns die Flucht zu verwehren.« Brinn sprach mit fester Stimme, ohne jede Andeutung von Furcht oder besondere Betonung. »Wir müssen uns sputen!«
»Jawohl, so ist's, Riesenfreund«, bekräftigte die Erste. Mit jedem Moment, der verstrich, gewann sie mehr von ihrer kämpferischen Kaltblütigkeit zurück. »Sternfahrers Schatz ist unvermindert bedroht, und wir sind der Dromond fern. Ich ziehe weder Derbhands Klugheit noch seine Tapferkeit in Zweifel, doch mich begehrt's, diese Stätte zu verlassen und meinen Fuß von neuem auf die Dromond zu setzen.«
Das waren Worte, die Covenant verstand – keine vagen Redensarten von Gefahr, sondern ein Aufruf zum konkreten Handeln. Das Schicksal der Erde liegt in den Händen eines Irrwitzigen , hatte der Elohim gesagt; und den Ring verlangt. Covenant hatte – trotz seines Widerwillens gegen alles Blutvergießen – viele Menschen getötet. Er mißtraute aller Macht. Doch die wilde Magie durchströmte ihn wie der Pulsschlag einer Ekstase, eine verzehrende, für jede Anwendung brauchbare Kraft. Das Drängen der Ersten vergegenwärtigte Covenant wieder die Bedeutung seiner Suche nach dem Einholzbaum, verdeutlichte ihm die Notwendigkeit von Überleben und Flucht. Und es erinnerte ihn an Kasreyn, der Linden in diese Situation gebracht hatte.
Behutsam gab er sie aus seinen Armen frei, trat zurück. Für einen langen Moment betrachtete er sie, prägte sich ihr
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