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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Worte verwandelten sich in ihrem Mund in Falschheiten, sobald sie sie aussprach. Doch die Alternative war für sie in gräßlichem Maße unerträglich. Beschämt drängte sie sich an der Ersten vorüber in die Richtung zum Wohlspeishaus. Das geballte Unverständnis und der Groll so vieler tapferer, wertvoller Menschen saßen ihr im Nacken. Ihn in ihre Gewalt bringen? Wenig hatte gefehlt, und seine magische Kraft hätte sie so heftig durchglost wie Gibbons Berührung. War es das, wie Lord Foul sie schmieden wollte, um eine neue, endgültige Schändung, die Vernichtung der Welt herbeizuführen? Der moralische Druck und das Aufbegehren gegen ihre Haltung jagten sie halb im Laufschritt durch den Speisesaal und aufs leere Vordeck.
    Nachbilder der von Covenant verschleuderten Blitze quälten Lindens Sinne noch für längere Zeit. Beinahe den halben Vormittag hindurch hatte sie in der Nähe des Bugs an einen Querbalken der Reling geklammert gestanden, ehe sie merkte, daß das Schiff noch regungslos auf dem Wasser lag. Seine Bewegungslosigkeit beruhte nicht auf dem von Covenant angerichteten Schaden. Vom Großmast hingen nach wie vor nur Fetzen herunter. Unregelmäßige Ausbrüche wilder Magie hatten alle Reparaturversuche sinnlos gemacht. Doch selbst mit vollen Segeln an allen drei Masten hätte die Sternfahrers Schatz nicht wieder Fahrt aufnehmen können. Kein Wind wehte. Nicht einmal die See regte sich noch. Der Ozean war zu einer glatten Spiegelung des Himmels geworden – tief azurblau und flach, leblos wie das Glas eines Spiegels. Die Dromond hätte mit der Wasserfläche verschmolzen sein können. Ihre Segel hingen wie Totenhemden an den wie nutzlos gewordenen Rahen; Taue und Segeltuch, zuvor vom Wind so mit Leben erfüllt, baumelten wie beklemmende Gehängsel herab, jeglichen Sinns beraubt. Und die Hitze ...! Die Sonne war das einzige, was sich über dem Meer bewegte. Schwüler Dunst stieg von den Decks auf, als verlöre die Sternfahrers Schatz unter der Glut an Substanz, verflüchtige sich allmählich vom Antlitz der Meerestiefen.
    Die Hitze brachte den stumpfsinnigen Trott von Lindens Gedankengängen ins Wanken. Halb war sie davon überzeugt, der Wütrich habe ihnen den Wind genommen, diese Flaute sei das Werk Lord Fouls, um das Schiff mitten auf dem Meer festzuhalten, die Fortsetzung der Suche zu verzögern, bis das Gift die seidenen Fäden zerfraß, von denen Covenants Leben früher oder später abhängen mochte. Und was dann? Vielleicht würde er die Dromond in seinem Delirium versenken, bevor er starb. Oder vielleicht vermochte er wenigstens eine solche Folge zu verhindern; dann fielen die Suche und der Ring in jemand anderes Verantwortung. Ihre? Lieber Gott! lehnte sich Linden kläglich auf. So etwas kann ich mir keinesfalls aufbürden! Aber die Logik dieser Schlußfolgerung war unwiderstehlich. Warum sonst hätte Marid einen Angriff auf sie vortäuschen sollen, ehe er auf Covenant losging? Weshalb sonst hätte sich Gibbon darauf verlegen sollen, sie mehr oder weniger zu schonen, mit ihr zu sprechen, sie zu berühren, wenn nicht in der Absicht, sie in ihren eigenen krampfhaften Befürchtungen, den Lehren ihrer Schlechtigkeit zu bekräftigen? Warum sonst hätte der Greis bei der Haven Farm ihr raten sollen: Bleib getreu? Warum, wenn nicht sowohl er wie auch der Verächter bereits vorausgesehen hatte, daß Covenants Ring letzten Endes in ihren Besitz übergehen mußte? Was für eine Person war aus ihr geworden?
    In mit quälender Spannung erfüllten Abständen durchliefen von neuen energetischen Eruptionen verursachte Erschütterungen den Stein des Schiffs. »Niemals!« schrie Covenant wiederholt. »Niemals geb ich den Ring heraus!« Er brüllte seine Weigerung an den achtlosen Himmel empor. Aus ihm war jemand geworden, den sie nicht mehr berühren konnte. Nach all den Jahren ihrer Flucht empfing sie endlich das Vermächtnis ihrer Eltern. Sie besaß keine Wahl, sie mußte ihn in ihre Gewalt bringen oder sterben lassen.
    Als Cail kam, um mit ihr zu reden, wandte sie nicht den Kopf, ließ ihn ihre Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit nicht sehen, bis er sie direkt zum Eingreifen aufforderte. »Linden Avery, du mußt handeln!«
    Da fuhr sie herum. Cail schwitzte leicht. Nicht einmal sein Haruchai -Körper war gegen diese Hitze immun. Aber seine Haltung leugnete jedes Unbehagen. Er wirkte in seiner Selbstsicherheit so unangreifbar, daß Linden es sich nicht verkneifen konnte, ihn anzuschnauzen. »Nein! Ihr habt

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