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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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noch berühren.
     
    Während des ganzes Tages lag die Sternfahrers Schatz reglos in der Flaute. Die Hitze brannte vom Himmel, bis Linden glaubte, ihr müßten die Knochen im Leibe schmelzen; die Widersprüche in ihrem Innern jedoch vermochte sie nicht zu lösen. Auf dem ganzen Schiff benahmen die Riesen sich seltsam ruhig. Es hatte den Anschein, als warteten sie geradezu mit angehaltenem Atem auf Covenants feurige Ausbrüche, sein zorniges, wirres Gebrüll. Nicht einmal eine Andeutung von Wind bewegte die Segel. Manchmal sehnte sich Linden danach, über Bord zu fallen – nicht um in der Kühle der See zu versinken, obwohl jede Abkühlung für ihre überreizten Nerven ein wahrer Segen gewesen wäre, sondern einfach um die ungebrochene Stille des Wasser zu stören. Durch den Stein des Schiffs fühlte sie, wie sich Covenants Delirium verschlimmerte. Am Mittag und auch gegen Abend brachte Cail ihr zu essen. Er widmete sich seiner selbstgewählten Aufgabe, als könne kein Konflikt zwischen ihnen etwas an seiner Pflicht ändern, aber Linden aß nichts. Obwohl sie noch immer keinen einzigen Schritt in Covenants Richtung getan hatte, litt sie mit ihm. Dieselbe Folter des Gifts und Wahnsinns, die ihn quälte, marterte auch sie. Das war die Strafe für ihr Versagen – an dem Leid teilhaben zu müssen, das zu bekämpfen sie sich fürchtete. Du wirst nicht scheitern, wie arg er dich auch bedrängen mag , hatte der Alte vor der Haven Farm ihr einreden wollen. Es gibt auch Liebe in der Welt. Innerlich stöhnte Linden vor sich hin. Nicht scheitern? Guter Gott! Und was Liebe betraf, so hatte sie ihr längst entsagt. Sie wußte nicht, wie sie ihrem Leben eine Wende geben sollte.
    So endete der Tag, und auch später, als sich der Mond wächsern über die leblose See zu erheben begann, stand Linden noch immer auf dem langen Vordeck und starrte blicklos in die aussichtslose Ferne. Ihre Hände verkrampften sich ineinander, entklammerten sich wieder, als wären sie ein Knäuel Schlangen. Schweiß machte das Haar an ihren Schläfen dunkel, zog schwache Linien durch die Furchen der Verbissenheit in ihrem Gesicht; doch sie achtete auf nichts. Das schwarze Wasser erstreckte sich unter der Nacht ohne jede Bewegung weithin, genau wie die Luft bar jeglichen Lebens. Der Mond glänzte, als wäre er von Überlegungen eigener Art in Beschlag genommen; seine Spiegelung spreizte sich auf der glatten Fläche der See wie eine Totgeburt. Hoch über Linden hingen die Segel schlaff in Falten, ohne nur durch einen Hauch oder die Vorahnung von Wind angetastet zu werden. Immer wieder krakeelte Covenants Stimme in die warme Nacht hinaus. Gelegentlich brachte weißes Aufflammen die Sterne zum Verblassen. Aber Linden ließ sich davon nicht umstimmen, obwohl sie sehr wohl wußte, daß er sich nicht selber heilen konnte. Das Gift des Verächters war seelischer Natur, und Covenant verfügte nicht über Lindens Gespür fürs Gesunde, so daß er seine Magie nicht in den Griff zu bekommen vermochte. Selbst wenn Linden sich seine Kraft angeeignet hätte, um sie so einzusetzen, wie sie es als erforderlich erachtete, wäre sie vielleicht nicht dazu in der Lage gewesen, ihm das Gift auszubrennen, ohne sein Leben aufs äußerste zu gefährden.
    Schließlich kam Pechnase zu ihr. Sie hörte dem Rhythmus seiner Schritte seine Entschlossenheit an, unbedingt mit ihr zu reden. Doch als sie ihm das Gesicht zudrehte, erstickte der Anblick ihrer verwüsteten Miene seinen Vorsatz im Keim. Schon nach einem Moment, in seinen verunstalteten Augen einen feuchten Schimmer von Mondschein oder Tränen, trat er den Rückzug an.
    Linden nahm an, man werde sie nun in Ruhe lassen. Aber nach einer Weile spürte sie in unmittelbarer Nähe die Gegenwart eines anderen Riesen. Ohne hinschauen zu müssen, erkannte sie Seeträumer an seiner Aura innerer Verpreßtheit. Er war gekommen, um in seiner Stummheit mit ihr zu schweigen. Als einzigem Riesen war ihm etwas zu eigen, das sich mit Lindens Wahrnehmungsvermögen vergleichen ließ, und die eindringliche Traurigkeit seiner Stimmung blieb frei von jedem Vorwurf. Trotzdem empfand sie sein Schweigen nach einem Weilchen als eine Form von Bedrängnis, als wortlose Fragestellung. »Es geht nicht, weil ich mich zu sehr fürchte.« Seeträumers Stummsein ermöglichte ihr das Sprechen. »Es graut mir. Ich verstehe, was Covenant macht. Seine Liebe zum Land ...« Sie beneidete Covenant um diese Leidenschaft, um sein weites Herz, das groß genug war für ein

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