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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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im Mondlicht und sah unzumutbar schwer aus. »Hast du genug Kraft, um sie nur aufzuheben?« In stummer Verneinung hob Linden ihren Blick wieder in die Miene der Ersten. Die Riesin nickte, als hätte Linden ihr die Antwort erteilt, die sie erwartet hatte. »So wenig verfüge ich über die Kenntnisse, um Riesenfreund Covenants Leiden bekämpfen zu können. Du bist Linden Avery die Auserwählte. Ich bin die Erste der Sucher. Keiner von uns kann die Bürde des anderen auf seine Schultern nehmen.« Aus ihren Augen schien Mitternacht in Lindens aufwärts gekehrtes Gesicht zu strömen. »Doch so du die Last nicht tragen magst, die dir zuteil geworden ist, dann werde ich, mein Wort darauf, so handeln, wie's für mich im Bereich des Möglichen liegt. Er duldet nicht, daß sich jemand ihm naht. Daher gedenke ich das Leben der Besatzung und das Schiff selbst aufs Spiel zu setzen, um ihn abzulenken. Und während er tobt, werde ich ihm den vom Gift geschwollenen Arm mit diesem Schwert vom Leib abtrennen. Ich kenne keinen anderen Weg, um dieses Übel von ihm zu nehmen – und um uns der Gefahr seiner Macht zu entledigen. Wenn das Glück uns hold ist, wird's uns gelingen, den Blutfluß zu stillen, ehe alles Leben aus ihm entweicht.«
    Abtrennen? Plötzliche Schwäche ereilte Linden. Falls die Erste mit ihrem Vorhaben Erfolg hatte ...! Vor ihrem geistigen Auge sah sie die gewaltige Klinge auf Covenants Schulter niedersausen wie bei einer Hinrichtung. Und Blut. Dunkles Blut unter dem wachsbleichen Mond; es würde fast direkt aus seinem Herzen geschossen kommen. Wenn man die Blutung nicht im gleichen Moment stoppte, würde nichts ihn noch retten können. Buchstäblich eine ganze Welt lag zwischen Linden und der Ausrüstung, deren es bedurfte, um Transfusionen zu verabreichen, die Wunde zu nähen, sein Herz am Schlagen zu halten, bis sich der Blutdruck normalisierte. Ein solcher Schwertstreich konnte so fatal sein wie der Messerstich, den er vor dem Überwechseln in diese Welt in die Brust erhalten hatte. Lindens Hinterkopf prallte gegen den Querbalken der Reling, als sie auf das Deck sackte; einen Moment lang wütete Schmerz in ihren Schädelknochen. Abtrennen? Ihm waren bereits zwei Finger durch Chirurgen amputiert worden, weil man auf seine Art von Krankheit keine andere Antwort gekannt hatte. Und wenn er überlebte ... Linden stöhnte auf. Ach, wenn er überlebte, wie sollte sie ihm je wieder in die Augen schauen können, während er wußte, daß sie nichts unternommen, daß sie in ihrer Feigheit dabeigestanden und zugesehen hatte, wie man ihm den Arm abhieb? »Nein.« Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ihr mutloses Fleisch sträubte sich gegen das, was sie sagte. Aber Covenant würde Grund haben, sie zu hassen, wenn sie den Versuch der Ersten duldete; und erst recht mußte er sie hassen – für immer! –, wenn sie ihm das Leben um den Preis seiner persönlichen Unabhängigkeit und Integrität rettete. War sie wirklich so machtgierig? »Ich werde es versuchen.«
    Cail erreichte ihre Seite. Er half ihr auf die Beine. Als sie sich auf seine Schulter stützte, schob er ihr eine Flasche in die Hand. Der schwache Geruch verdünnten Diamondraughts stieg ihr in die Nase. Matt und fahrig hob sie die Flasche an den Mund und trank. Beinahe sofort spürte sie, wie das Getränk seine typische Wirkung ausübte. Lindens Pulsschlag erfüllte ihre Muskeln mit neuem Leben. Der Kopfschmerz linderte sich zu einem dumpfen Pochen im Ansatz des Nackens. Der Mond schien, als sich ihre Sicht klärte, heller zu leuchten. Linden leerte die Flasche, als wolle sie ihr Kraft aussaugen – irgendeine Kraft, irgend etwas, das für sie eine Unterstützung gegen die Virulenz des Gifts sein mochte. Dann zwang sie sich dazu, sich in die Richtung zum Achterdeck in Bewegung zu setzen.
    Hinterm Wohlspeishaus gelangte sie in den Lichtschein von Laternen. Sie waren am Dach des Aufbaus aufgehängt und beiderseits des Decks aufgestellt worden, um es den Riesen und Haruchai zu ermöglichen, Covenant aus relativ sicherem Abstand zu beobachten. Die Lampen erzeugten ein gelbliches Licht, das die schroffe Nacht unter anderen Umständen behaglicher gemacht hätte. Doch ihre Helligkeit erleuchtete oben die Fetzen von Segeln und Wanten. Und in der Mitte des Lichtkreises, den sie warfen, waren all das Blut und die toten Ratten weggebrannt worden. Von wilder Magie hinterlassene Narben kennzeichneten den Stein, wiesen wie Finger des Vorwurfs auf Covenants Starre und Qual.

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