Der einsame Baum - Covenant 05
beiden kann sich eines Werkzeugs bedienen, denn ein Werkzeug wäre bloß eine Verlängerung dessen, was sie selbst sind, und wenn sie auf diese Weise bewerkstelligen könnten, worauf sie's abgesehen haben, bräuchten sie nichts anderes. Also versuchen sie's beide mit uns. Der einzige Unterschied, den ich erkennen kann, besteht darin, daß der Schöpfer nicht manipuliert. Er trifft nur seine Wahl und findet sich mit dem Risiko ab. Foul ist da anders. Aber wie frei sind wir?«
»Nein.« Linden tat ihr Bestes, um ohne Schwäche das Nötige zu sagen. »Nicht wir.« Sie mochte ihm nicht weh tun; doch sie war sich darüber im klaren, es wäre falsch verstandene Liebe, falls sie versuchte, ihn zu schonen. »Du bist es, der den Ring hat. Wie frei bist du? Als du Joans Stelle eingenommen hast ...« Da allerdings verstummte sie. Sie brachte es schlichtweg nicht übers Herz, den Satz zu beenden.
Aber Covenant verstand sie ohnehin. Lindens unausgesprochenes Wort glich einem Widerhall der Furcht, die ihn zermarterte. »Ich bin nicht sicher.« Erneut wich sein Blick von ihr, nicht um sie zu meiden, sondern um den Verkettungen seiner Erinnerungsstränge zu folgen.
Doch Linden war noch nicht fertig, und was sie zudem zu sagen hatte, war zu wichtig, um warten zu können. »Nach dem Elohim -Fest ... Als ich versucht habe, in dich vorzudringen ...« Sie sprach abgehackt, fühlte sich nicht dazu in der Lage, alle Bestandteile ihrer Überlegungen auf einmal zu bewältigen. »Am selben Tag, als Findail aufgetaucht ist. Ich habe gewartet ... weil ich hoffte, du würdest von selber genesen. Aber dann konnte ich nicht länger warten. Wenn schon nichts anderes, habe ich mir von meinem Eingreifen zumindest versprochen, es könnte dir möglich sein, ihm Antworten abzuringen.« Sie schloß die Augen, entzog sich der Art und Weise, wie Covenant sie anblickte. »Ich bin nicht weit gekommen.« Voller Finsternis und Gier nach Macht hatte sie versucht, ihn ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Nun holte die Greulichkeit des Resultats sie ein. Unbewußt begann sie im Gegentakt zum leichten Schwanken der Hängematte zu schaukeln, um sich zu beruhigen, die Erinnerung in erträgliche Worte zu kleiden. »Ich bin hinausgeworfen worden. Oder ich habe mich selber hinausgeworfen. Um vor dem zu fliehen, was ich sah.« Gequält schilderte sie, wie sie ihn als Sonnenübel-Opfer gesehen hatte, so monströs und gräßlich wie Marid. Sofort suchte ihr Blick sein Gesicht, als könne es jedes Unbehagen zerstreuen. Er musterte sie mit durchdringender Aufmerksamkeit; in seinen Augen stritten Grimm und Furcht miteinander. »Kannst du wirklich mit Sicherheit sagen«, meinte Linden mit unbeabsichtigter Schroffheit, die sie jedoch nicht zu unterdrücken vermochte, »daß du dich nicht verkauft hast? Daß du nicht längst ein Werkzeug des Verächters bist?«
»Vielleicht bin ich's nicht.« Seine Gesichtszüge nahmen einen Ausdruck von Unerbittlichkeit an, als hätte sie ihn in seine Unzugänglichkeit zurückgescheucht, ihn gezwungen, sich zu den Grundfesten seines Leids und seiner Vereinsamung zurückzuziehen. Seine Stimme klang nach der Kälte von Leprose. »Es kann sein, die Elohim glauben bloß, ich wär's. Vielleicht war das, was du gesehen hast, lediglich ihr Bild von mir.« Dann verzerrte sich sein Gesicht. In Selbstüberwindung schüttelte er den Kopf. »Nein. Das ist auch nur so eine billige Ausrede.« Langsam entkrampfte sich seine Miene, zeugte schließlich von bewußter Unverhohlenheit, seiner Bereitschaft, sein Inneres vor Linden zu entblößen. »Womöglich hat Findail recht. Vielleicht sollte ich ihm tatsächlich meinen Ring geben. Oder dir. Bevor's zu spät ist. Aber ich will verdammt sein, wenn ich so ohne weiteres kapituliere. Auf keinen Fall, solange mir noch Hoffnungen bleiben.« Hoffnungen? hauchte Lindens Mund stumm. Doch Covenant äußerte sich bereits dazu. »Du bist eine davon. Der Alte bei der Haven Farm hat dich auserwählt. ›Bleib getreu!‹ hat er zu dir gesagt. Du bist noch hier, du bist zum Weitermachen gewillt, und das bedeutet eine Hoffnung. Was du mir eben erzählt hast, ist auch eine Hoffnung. Wenn das wahr ist, was du gesehen hast – daß ich wirklich Fouls Werkzeug oder Opfer bin –, dann kann ich nichts gegen ihn ausrichten. Aber andererseits wird er mich auch nicht benutzen können, um seinen Willen durchzusetzen.«
Mit einem merklichen Ruck verstummte er, gab Linden eine Gelegenheit zum Nachdenken über die Implikationen dessen, was
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