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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Hals.
    In völligem Schweigen, um ihn in seiner Konzentration nicht zu stören, beobachtete Linden ihn mit eindringlicher Aufmerksamkeit, um sich seinen Anblick einzuprägen, ehe er merkte, wie sie ihn musterte, Befangenheit zeigte. Er war hager bis an den Rand der Ausgemergeltheit; die unausgesetzte Glut in seinem Innern hatte ihm alles überflüssige Gewicht weggebrannt. Aber die besondere Effizienz seiner Gestalt gefiel ihr. Sie hatte nicht gewußt, daß sie fähig war, an jemandes Körper ein so unprofessionelles Interesse zu finden.
    Dann war sein Bart fort, und er löschte das Feuer. Als er sich umdrehte, sah er, daß Linden ihn betrachtete. Vorübergehende Verlegenheit verbarg alles andere in seinen Augen. Er vollführte eine unbestimmte Geste, wie um sich zu entschuldigen. »Ich meine immer noch, ich müßte es zu kontrollieren imstande sein. Ich versuch's jedenfalls zu lernen.« Er schnitt eine kauzige Grimasse. »Außerdem kann ich's nicht leiden, wenn's mich im Gesicht juckt.« Dann bezeugte sein Mund düsteren Ernst. »Wenn die Energie schwach genug ist – und ich mich nicht aufrege –, kann ich damit umgehen. Aber sobald ich irgendwas von Bedeutung zu tun versuche ...« Linden lächelte weiter, bis ihm ihre Miene auffiel. Daraufhin ließ er mit einem Schulterzucken von der Frage seiner Macht ab. Er erlaubte sich ein Halblächeln und betastete sein bleiches, gesäubertes Kinn. »Ist alles weg? Ich merk's nicht. Meine Hände sind zu gefühllos.«
    Linden antwortete mit einem Nicken. Doch sein Tonfall machte sie der Vielschichtigkeit seines Blicks bewußt. Er sah sie mit mehr als nur seinen Erinnerungen an die vergangene Nacht an. Irgend etwas beunruhigte ihn. Es mißbehagte Linden, sich aus ihrem so seltenen, sanften Gefühl der Ausgeglichenheit zu lösen; trotzdem kannte sie kein Zögern. »Was ist los?« erkundigte sie sich zärtlich.
    Covenant nahm den Blick von ihr, richtete ihn mit spürbarer Willensanstrengung wieder auf sie. »Zuviel ist los.« Er wandte sich ihr zu, als wüßte er nicht, wie er mit ihrer Fürsorglichkeit zurechtkommen sollte. »Wilde Magie. Offene Fragen. Diese pure Selbstsucht, deine Liebe anzunehmen, während ...« Er schluckte kloßig. »... während ich dich so sehr liebe und gleichzeitig derartig gefährlich bin, und obwohl ich die Sache möglicherweise nicht einmal lebendig überstehen kann.« Die Beschwerlichkeit seiner Unumwundenheit verzerrte ihm den Mund. »Vielleicht gelangen wir nicht rechtzeitig genug zurück, um's dir zu ermöglichen, etwas gegen das Messer in meiner Brust zu unternehmen. Ich will raus aus der ganzen Geschichte. Ich möchte nicht mehr für das alles verantwortlich sein. Es sind schon zu viele Menschen umgekommen, und es wird andauernd bloß noch schlimmer.«
    Linden hörte ihn und verstand, was er meinte. Er war ein ausgehungerter Mensch, der endlich die Linderung gekostet hatte, nach der seine Seele dürstete. Mit ihr verhielt es sich nicht anders. Aber die Befürchtung, die er hegte – in bezug auf die Stichwunde in seiner Brust –, empfand sie als irreal. Die verheilte Narbe war kaum noch zu sehen. Sie war fast völlig in der Blässe seiner Haut aufgegangen. Linden konnte sich nicht vorstellen, wie diese Heilung rückgängig, wie sie ungeschehen gemacht werden sollte, als wäre sie nie eingetreten. Doch das war nur ein Teil dessen, was sie fühlte. Auf gewisse Weise befriedigte es sie, genau da zu sein, wo sie jetzt war – mit Covenant an Bord der Sternfahrers Schatz, auf der Suche nach dem Einholzbaum, begleitet von Riesen und Haruchai , von Findail und Hohl. Sie war vollauf bereit, sich der Zukunft zu stellen, an der Lord Foul strickte. Und das sagte sie Covenant so deutlich wie möglich.
    »Mir ist's gleich. Von mir aus kannst du so gefährlich oder selbstsüchtig sein, wie du willst.« Seine Gefährlichkeit hatte von Anfang an attraktiv auf sie gewirkt. Und seine Selbstsucht war von Liebe ununterscheidbar. »Ich fürchte mich nicht.«
    Daraufhin verschleierte sich Covenants Blick. Er blinzelte sie an, als wäre sie heller als der Sonnenschein. Sie dachte, er werde die Trittleiter erklimmen und in ihre Arme zurückkehren; aber er tat es nicht. Sein Gebaren war offen und vorbehaltlos, und er wirkte in seiner Ruhelosigkeit kindlich. Seine Kehle krampfte sich zusammen, lockerte sich, ehe er wieder sprechen konnte. »Findail behauptet«, sagte er, »ich werde die Erde vernichten.«
    Da begriff Linden, daß er mehr von ihr brauchte als

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