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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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zusammentraten, um darüber zu befinden, wen wir zum Ernannten erwählen sollten, befand sich Kastenessen nicht unter uns. Doch wäre er gegenwärtig gewesen, um zu seiner Rechtfertigung zu sprechen, er wäre dennoch der Ernannte geworden, denn er hatte Unheil über ein Weib gebracht, das ihm kein Leid anzutun vermocht hätte, und nannte es Liebe. Die Kraft dessen jedoch, was er Liebe hieß, war so stark, daß er, sobald ihn die Kunde seiner Einsetzung zum Ernannten erreichte, die Hand jenes Weibes – seiner Geliebten – ergriff und die Flucht antrat, darauf bedacht, sich seiner Pflicht zu entziehen. So fiel's mir zu – und mit mir anderen –, seine Verfolgung aufzunehmen. Er handelte wie jemand, der dem Irrsinn erlegen ist, denn gewißlich mußte er darüber Klarheit haben, daß es auf der ganzen Erde keinen Ort gab, an dem er sich vor uns verbergen konnte. Und wär's ihm auch möglich gewesen, sich unserem Zugriff zu entziehen, mit etwas zu verschmelzen, aus dem wir ihn nicht zu lösen vermocht hätten, das gleiche wäre undenkbar gewesen mit dem Weib, seiner Begleiterin. Ihr sterbliches Fleisch stand dem entgegen. Aber er mochte sich von ihr nicht trennen, und so kamen wir über ihn und bemächtigten uns seiner. Dem Weibe ließen wir an Fürsorge angedeihen, was wir vermochten, wiewohl sein Unheil oder seine Liebe außerhalb jeder Tröstung blieb. Kastenessen verbrachten wir zu jenem Feuer im Norden. Für uns war er Elohim, seiner Bürde verpflichtet und nicht davon befreibar. Er dagegen vermeinte, nicht länger uns oder der Erde anzugehören, sondern allein jenem Weib, das er verloren hatte. Er wollte sich nicht darin schicken, Ernannter zu sein, und keine Einsicht darin zeigen, daß die Bedrohung der Erde von einer Art war, die nicht unbeachtet bleiben durfte. Er wütete wider uns, wider die Himmel und das Würd. Insbesondere mich überhäufte er mit Flüchen, verhieß mir ein Verhängnis, das all seine Verzweiflung übersteigen sollte, denn näher als alle anderen Elohim hatte ich ihm gestanden, und doch wollte ich von seinem Irrwitz nichts hören. Aufgrund seines Tobens erlegte sich uns der Zwang auf, ihn an die Stätte zu binden, wo er vonnöten war, ihn seines Namens, der Wahl und seiner Zeit zu entledigen und ihn in einen Grundstein der bedrohten Grundfesten des Nordens zu verwandeln. So gelang es uns, das Feuer zum Erlöschen zu bringen, so daß die Erde gerettet war, Kastenessen aber verloren.« Findail verstummte. Einen Moment lang schwieg er inmitten des Schweigens der Riesen; seine sämtlichen Zuhörer waren auch angesichts seines Schweigens sprachlos, als fühlten sie sich verloren, wie Kastenessen in der Geschichte des Ernannten hatte verloren sein müssen. Dann jedoch wandte Findail sich Linden und Covenant zu, betrachtete sie, als stäke hinter allem, was er gesagt hatte, ausschließlich die Absicht, ihren unverminderten Argwohn zu zerstreuen; Untertöne von tiefem Ernst klangen in seiner Stimme mit. »Hätten uns andere Mittel und Wege zur Verfügung gestanden, um das Feuer zu ersticken, Kastenessen wäre nicht zum Ernannten bestimmt worden. Wir haben ihn nicht zur Strafe oder aus Bosheit auserwählt, sondern aus Not.« Seine gelben Augen schienen das Laternenlicht verstärkt zurückzuwerfen, leuchteten in der Dunkelheit mit unnatürlicher Helligkeit. »Der Preis der Gesichte sind Kühnheit und Wagen. Es ist mein Begehr, verstanden zu werden.«
    Da zerfloß seine Gestalt, er verschwand aus der Versammlung, ließ ein Schweigen zurück, das so unvollkommen und unumstößlich war wie Einsamkeit.
    Als Linden zu den Sternen aufschaute, ergaben sie für sie nicht länger einen Sinn: Findail hätte genausogut sagen können: Das ist der Untergang.
     
    Drei Tage lang blieb das Wetter noch gut, und die Sternfahrers Schatz schwamm leicht schräg mit zügiger Zielstrebigkeit vor dem Wind. Aber am fünften Tag nach der Abfahrt aus Bhrathairain schien die Luft unversehens sich zu verdichten, einzudicken, bis der Wind selbst einen trägen, wie unbestimmbar benommenen Eindruck machte. Der Himmel zerfiel in Gewölk und Böen, als bräche er unterm eigenen Gewicht zusammen. Unvermittelte Windstöße und Regengüsse suchten das Riesen-Schiff aus allen Richtungen heim. In unvorhersehbaren Abständen übertönten das stakkatohafte Knattern des Segeltuchs und das hitzige Fauchen von Regen alle anderen Geräusche. Schwül, unberechenbar und launisch sauste das Gewölk zwischen den Horizonten hin und her. Die

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