Der einsame Baum - Covenant 05
Dromond geriet dadurch in keine Gefahr; aber ihre Fahrt verlangsamte sich bis fast aufs Schrittempo, und ihr Lavieren von der einen zur anderen Seite glich nahezu einem Taumeln. Durch das Fehlen des Großmasts behindert, schleppte sich die Sternfahrers Schatz hartnäckig ihrem Ziel entgegen, konnte sich jedoch nicht vom Tummelplatz der stürmischen Winde entfernen.
Nach einem Tag dieses unregelmäßigen Schaukelns und Schwankens glaubte Linden, seekrank werden zu müssen. Die Wogen beeinträchtigten die Stabilität, die sie sich vom Stein unter ihren bloßen Füßen zu erwarten angewöhnt hatte. Sie fühlte Schwingungen anhaltender Frustration durch den gemaserten Granit von der Besatzung ausgehen, spürte den Bug der Dromond auf alle mögliche Weise, bloß nicht geradewegs die Wellen teilen. Und an Lindens Seite zermürbte sich Covenant vor Ungeduld; seine Stimmung verlieh dem Dahinsegeln des Riesen-Schiffs den Nachdruck von Dringlichkeit. Unter der Oberfläche ihrer Gemeinsamkeit fieberte er seinem Ziel entgegen. Linden konnte ihre Mulmigkeit erst überwinden, als Pechnase ihr eine schwache Mischung aus Diamondraught und Wasser zur Beruhigung des Magens reichte.
Für die folgende Nacht bereiteten sich Linden und Covenant ein Lager am Boden ihrer Kabine, um nicht das noch spürbarere Pendeln der Hängematte ertragen zu müssen. Doch am nächsten Tag wehten die Winde noch lebhafter. Nach Sonnenuntergang, als ein zeitweiliges Auflockern des Gewölks Blankehans anhand der Sterne Messungen vorzunehmen erlaubte, gab er bekannt, daß die Sucher seit dem vergangenen Morgen kaum mehr als zwanzig Längen zurückgelegt hatten. »Solcherart ist unsere Eile«, murmelte er in den Bart, »daß die Insel des Einholzbaums ganz und gar im Meer versinken mag, ehe wir uns ihr nahen.«
Pechnase lachte unterdrückt. »Ist's etwa ein Riese, der da spricht? Meister, ich ahnte nicht, daß du ein Bewunderer der Hast bist.«
Blankehans gab keine Antwort. Seine Augen zeugten von Gedanken an Seeträumer, und sein Blick ruhte auf Covenant.
»Ein paar Jahrhunderte nach dem Ritual der Schändung«, sagte Covenant einen Moment später, »hat ein Höhlenschrat namens Seibrich Felswürm den Stab des Gesetzes gefunden. Einer der Scherze, für die er ihn benutzt hat, war das Herummurksen mit dem Wetter.« Linden warf ihm einen scharfen Blick zu. Glaubst du, jemand steckt hinter ...? wollte sie fragen. Aber er sprach schon weiter. »Einmal bin ich in so ein kleineres Unwetter geraten. Mit Atiaran.« Die Erinnerung daran machte seinen Tonfall barsch. »Ich hab's verscheucht. Noch bevor ich bereit war, zu glauben, daß es so was wie wilde Magie gibt.«
Nun schauten alle in näherem Umkreis ihn an. Unausgesprochene Fragen kennzeichneten das Schweigen. »Riesenfreund«, erkundigte sich schließlich bedächtig die Erste, »gedenkst du einen Versuch zu beginnen, dies Wetter zu vertreiben?«
Für eine Weile antwortete Covenant nicht. Linden sah der Haltung seiner Schultern, der Verkrümmtheit seiner Finger an, daß er das Bedürfnis nach irgendwelchen Maßnahmen verspürte. Selbst wenn er schlief, verkrampfte eingefleischt erinnerte Dringlichkeit ihm die Gliedmaßen. Der Einholzbaum bot die Lösung für sein Selbstmißtrauen. »Nein«, erwiderte er endlich. Er versuchte zu lächeln. Das Ergebnis war eine Grimasse. »Mit meinem Glück würde ich bloß wieder ein Loch ins Schiff reißen.«
Am Abend lag er mit dem Gesicht nach unten auf der Lagerstatt, wie ein gestürztes Denkmal seiner selbst, und Linden mußte ihm lange Zeit den Rücken massieren, bis er dazu imstande war, sich herumzuwälzen und sie anzuschauen.
Und noch immer verzogen sich die Unwetter nicht. Am dritten Tag ihres Auftretens fielen sie noch zahlreicher und turbulenter aus. Linden verbrachte einen Großteil ihrer Zeit an Deck, spähte durch Wind und Regen nach irgendeinem Anzeichen dafür aus, daß das Wetter bald umschlug. Covenants Spannung beherrschte inzwischen auch ihre Sinne. Der Einholzbaum. Hoffnung für Covenant. Für das Land. Und für sie? Diese Frage ließ ihr keine Ruhe. Er hatte gesagt, ein neuer Stab des Gesetzes könnte dazu dienen, um sie in ihre Welt, das eigene Dasein zurückzusenden.
Während einer Zeitspanne klaren Himmels zwischen Gewittern standen sie am Mittnachmittag in halber Höhe des Vordecks steuerbords an der Reling und beobachteten in der Ferne Wolken, schwarz wie Unheil, die im Vorüberziehen Regen vergossen und die See zum Schäumen brachten, als
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