Der einsame Baum - Covenant 05
Anweisungen, die Lachen glichen.
Sofort stürzte sich die Mannschaft an die Arbeit. Man lichtete die Anker; die gelockerten Segeltücher zog man straffer. Sobald man das Steuerrad bewegte, neigte sich der Bug des Schiffs, als nicke er, und die Sternfahrers Schatz begann Fahrt in Richtung auf den Schlund des Raw aufzunehmen. Während er Herzensfreude dem Ankermeister überließ, begab sich Blankehans nach vorn, um vom Vordeck aus auf die Sicherheit der Dromond zu achten. Covenant schloß sich ihm an, gedrängt von der eigenen Ruhelosigkeit. Brinn, Hergrom und Ceer begleiteten ihn, gefolgt von sämtlichen Riesen, die keine Aufgaben zu verrichten hatten.
Statt ihnen nachzugehen, wandte sich Linden an die Erste. Ihre besondere Wahrnehmung verhalf Linden zu größerem Überblick, und sie empfand diese Tatsache auch als höhere Verantwortung. Die Schwertkämpferin spähte voraus ins Maul des Raw, als wäge sie die eherne Festigkeit ihrer Entscheidung gegen die Klippen ab. »Blankehans hat vor«, sagte Linden ohne irgendeine Vorbemerkung zu ihr, »die Elohim um etwas zu bitten.«
Ein Moment verstrich, ehe die Erste den Inhalt der Bemerkung verstand. Dann aber fiel ihr Blick auf Linden. »Hast du davon Kenntnis?« erkundigte sie sich streng.
Mit einem Anflug von Barschheit zuckte Linden die Achseln. Sie hätte die Absichten in Blankehans' Gedankengängen nicht ermitteln können, ohne seine Privatsphäre zu verletzen. »Ich kann's in ihm sehen. Aber ich weiß nicht, worum's sich dreht. Ich dachte, vielleicht wüßtest du Bescheid.«
Die Erste schüttelte den Kopf, während sie versuchte, die von Linden erhaltene Information einzuschätzen. »Es steht mir nicht zu, nach seines Herzens Geheimnissen zu fragen. Doch ich danke dir für die Mitteilung. Was sein Begehr auch sein mag, er darf sein Heil nicht aufs Spiel setzen, um die Gewährung zu erfeilschen.«
Linden nickte und überließ die Sache der Ersten, dann eilte sie vom Achterdeck und nach vorn. Als sie das Vordeck erreichte, sah sie die Raw- Schroffen beiderseits des Schiffs an den Himmel aufragen. Die Sternfahrers Schatz schwamm ziemlich schnell im Wind, obwohl nicht mehr als die Hälfte ihrer Segel gesetzt waren; und die Klippen schienen näher zu kommen, als streckten sie sich der Dromond entgegen, um sie zu verschlingen. Linden suchte sich einen Platz am Bug und beobachtete den Raw so weit voraus, wie es möglich war, hielt nach irgendwelchen Anzeichen von Felsen oder Untiefen Ausschau; doch das Wasser wirkte bis zu einer Flußbiegung, die vor ihnen lag, tief und klar. Nach ihrem Aufgang hatte sich die Sonne über der Bergkette südwärts erhoben, so daß der Kanal sich im Schatten befand. Infolgedessen sah das Wasser so hart und grau aus wie ein winterlicher Gießbach der Berge. Die Wasserfläche spiegelte die granitenen Klippen wider, nicht den hohen, tiefblauen Himmel. Linden vermochte sich nicht des Eindrucks zu erwehren, die Sternfahrers Schatz segle in einen Abgrund.
Die Dromond machte stete Fahrt. Blankehans ließ die Segel stärker reffen. Nichtsdestoweniger schwamm das Schiff mit auffälliger Schnelligkeit dahin, als werde es von der Schlucht eingesaugt. Nun war die Sternfahrers Schatz ihrem Schicksal auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Mit diesem Wind hinter sich würde das Schiff niemals wenden und die Rückfahrt antreten können. Das Riesen-Schiff glitt immer tiefer in den Schatten, bis nur noch auf die obersten Segel und den Fernschau Licht fiel. Bald aber entzogen die Felsen auch ihnen den Sonnenschein, und die Dromond schien in Dunkelheit zu versinken. Indem sich Lindens Augen der Düsternis anpaßten, konnte sie die grauen Wände der Schlucht deutlicher erkennen. Der Granit sah aus, als wäre er gekränkt und nicht zum Verzeihen geneigt, wie wenn man ihn, um diese Wasserstraße zu schaffen, auf widernatürliche Weise gespalten hätte, und warte jetzt in rigider Ungeduld auf irgendein Aufbäumen der Erde, das es ihm erlauben würde, sich wieder überm Wasser zu schließen, sein hartes Herz gegen erneute Zudringlichkeiten zu versiegeln. Linden, die ihn mit ihren speziellen Sinnen begutachtete, merkte genau, wie verärgert diese Berge waren; wie beleidigt. Nur die urtümliche Langsamkeit ihres Lebens verhinderte, daß ihr Groll sich in normal ersichtlichen Formen niederschlug.
Und noch immer bewegte sich die Dromond mit wirklich unheimlicher Geschwindigkeit vorwärts. Die Klippen kanalisierten den Wind hinter dem Riesen-Schiff, und indem sich das
Weitere Kostenlose Bücher