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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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Hügelkuppe, dort weit voraus blieb allerdings trist und grau. In meinem Inneren sah es genauso aus. Das konnte auch nicht der richtige Weg sein. Bis zur Kuppe wollte ich noch schieben. Dort wollte ich entscheiden, ob es besser wäre weiter zu fahren, oder umzukehren. Ein Geräusch über mir schreckte mich auf. Eine Bäuerin mit wehenden Mantelschössen und flatterndem Kopftuch ratterte auf einem alten Fahrrad an mir vorbei.
    »Nach Olsdorf?«
    »Da müssen Sie dort hinüber«, schrie sie, von weit unten, schon fast in Brilon, zurück. Einen Hinweis, wo dieses »dort hinüber« sein sollte, gab sie mir leider nicht.
    Ihr Verhalten ließ immerhin den Schluss zu, dass ich mich wieder einmal gründlich verfahren hatte. Also zurück
    Die Landschaft gefiel mir. Sanfte grüne Hügel, Getreidefelder, in denen ab und zu ein breitausladender Laubbaum stand, in der Ferne vereinzelte Gehöfte. Plötzlich konnte ich das tun, was ich mein Leben lang in verfahrenen Situationen gemacht hatte: Ich konnte darüber lachen. Und damit fand auch mein Glück zu mir zurück.
    Eine Radlerin kam mir entgegen. Sportlich schick mit Helm und engem Regendress, zwei kleine Packtaschen auf dem Gepäckträger, ihres verkehrssicher gemachten Mountainbikes.
    »Olsberg?« Da käme sie gerade her.
    Ihr Gesicht war gerötet unter der braunen Haut und ihre dunklen Augen lachten.
    Um nach Olsberg zu kommen, müsse ich nur auf der anderen Seite der Asphaltstraße etwa 40 Meter zurück nach Brilon fahren und dann rechts in den Weg einbiegen. Dann zeigte sie Mitgefühl. Sie hätte gerade eine Abfahrt von 13,5 Kilometern hinter sich. Da müsse ich nun leider hinauf. Sie schob ihr Rad wieder an.
    Es gab tatsächlich ein, wenn auch nur nach einer Seite ausgerichtetes Schildchen, ohne Pfeil oder sonstige Erläuterung. Ich hatte bis zur nächsten Abzweigung scharfkantigen Rollsplitt unter den Rädern. Ob es geradeaus weitergehen sollte oder nicht, das sollte der Radfernfahrer hier selbst entscheiden. Das Schildchen hatte man sich gespart.
    Diesmal hörte ich zu recht auf einen Autofahrer, der in meiner Nähe anhielt, um seinen Hund auszuführen. Er meinte genau parallel zum Rollsplitt gäbe es eine schmale, kaum befahrene Asphaltstraße, die in Altenbüren auf die Straße nach Olsdorf treffe.
    Dieser Tipp erwies sich als richtig. Leider hatte auch die Radlerin recht behalten. Es ging aufwärts. Ich schaltete mich durch sämtliche Gänge nach unten, bis ich einsah, dass Schieben jetzt effektiver war als Treten. Ich ließ der Erkenntnis die Tat folgen.
    Links neben mir grenzte ein Laubwald die Sicht ein. Rechts zog sich ein Acker lang hingestreckt über den Hügel. Ein Rübenfeld vermutlich. Etwa ein Dutzend Männer in alten, verdreckten Militärparkas machten sich da zu schaffen. Einer von ihnen wurde auf mich aufmerksam.
    »Wassili«, rief er einem anderen zu, der gleich hinter dem Straßengraben in meiner Nähe am Boden kauerte. Und dann noch ein paar Worte, die ich nicht verstand.
    Russische Erntehelfer schloss ich aus dem Namen Wassili. Vielleicht sogar illegal ins Land gebracht. Die Zeitungen waren voll mit Berichten über dieses Geschäft, das zwar nicht so einträglich war, wie das Einschleusen osteuropäischer Sexualdienstleisterinnen, aber ebenso eifrig betrieben wurde. Diese Leute sollten in unzulänglichen Unterkünften leben, ausgebeutet von ihren Arbeitgebern und bemüht möglichst viel Geld zu sparen, um ihre Schleuser zu bezahlen und ihre Familien in ihrem Heimatland ernähren zu können. Kriminelle Handlungen waren da nicht auszuschließen.
    Wassili hatte sich aufgerichtet. Auch die anderen Arbeiter unterbrachen ihre Tätigkeit und kamen langsam auf mich zu.
    »Tragen?«, fragte Wassili und wie beiläufig: »Hast du Geld?«
    Wassili betrachtete interessiert mein Rad und mein Gepäck. Mir wurde es mulmig. Argwohn beschlich mich. Ich leugnete entschieden über finanzielle Mittel zu verfügen.
    »Fünf...?«, Wassili zeigte sich hartnäckig. Seine Augen hingen immer noch lüstern an meiner Ausrüstung.
    Auch einen Fünfer hätte ich nicht, erklärte ich ihm. Ich wäre arm. Dabei strebte ich eifrig dem Ende der Steigung entgegen.
    Wassili war zum Glück nur der Dolmetscher, nicht der Entscheidungsträger. Er musste dem ersten Rufer Bericht erstatten. Er tat das lautstark über das Feld hinweg. Auch die anderen Rübenpfleger unterbrachen ihre Vorwärtsbewegung und lauschten dem Bericht. Ihr Anführer schaute nachdenklich zu mir herüber. Ich hatte

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