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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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doch in dieser Begegnung spürte auch er etwas Inoffizielles. Etwas Persönliches.
    «Gott schütze Sie, Harry. Passen Sie gut auf sich auf.»
    «Vielen Dank, Sir.» Harry deutete ein Salutieren an. Er sah, dass die Augen des Direktors feucht waren. Selbst hier in diesem Gebäude, wo die Bürokratie längst die Oberhand zu haben schien, konnte man sich dem Wissen nicht ganz verschließen, dass es bei dieser Arbeit um Leben und Tod ging.
     
    Am nächsten Morgen holte Adrian Winkler Harry am Flughafen Heathrow ab. Der SI S-Mann sah an diesem Tag noch viel linkischer aus als sonst: der Inbegriff eines Mannes, der sich ständig auf Abwegen befindet, sich seiner selbst aber so sicher ist, dass es ihn gar nicht weiter interessiert, ob er erwischt wird. Er trug einen edlen zweireihigen Kaschmir-Blazer, dessen Messingknöpfe das Wappen seines Londoner Clubs zierte, und eine graue Flanellhose, deren Beine millimetergenau auf die Schuhe fielen. Harry, der nach einer fast schlaflosen Nacht im Flugzeug ziemlich erschöpft war, musste über die dandyhafte Erscheinung grinsen.
    «Hallo, alter Knabe», rief Adrian. «Wie geht’s, wie steht’s?»
    «Sei bitte nicht so grauenhaft gut gelaunt. Davon kriege ich Kopfschmerzen.» Harry musterte seinen eleganten englischen Freund noch einmal von Kopf bis Fuß. «Du siehst aus, als hättest du im Lotto gewonnen.»
    «Wir haben alle beide im Lotto gewonnen, mein lieber Harry. Mein Team – oder besser gesagt: unser Team – verlässt in diesen Minuten den Iran. Und sie haben unseren Mann im Gepäck.»
    «Allah sei Dank. Wo treffen wir uns mit ihnen?»
    «Tja, das ist die große Frage. Und ich habe natürlich auch eine Antwort darauf. Aber vorher müssen wir auf dem Weg nach Vauxhall Cross noch eine Kleinigkeit erledigen.»
    «Ich bin ziemlich kaputt, Adrian. Kann ich vielleicht erst ein bisschen schlafen?»
    «Tut mir leid, alter Junge. Der Termin lässt sich keinesfalls verschieben. Es bleibt uns gewissermaßen keine andere Wahl. Wir müssen alle nach irgendeiner Pfeife tanzen.»
    «Was willst du denn damit sagen, Adrian? Ich tanze nach niemandes Pfeife, und ich hoffe doch sehr, dass du das auch nicht tust.»
    Doch der Stabschef des SIS blieb stumm. Er klopfte Harry nur auf den Rücken und geleitete ihn dann zu seinem Rover, der im Parkhaus am Terminal 3 wartete.
     
    Auf der Fahrt schlief Harry ein und merkte erst, wo sie waren, als der Wagen vor dem Stadthaus in der Mount Street hielt. Erst da begriff er, dass die Pfeife, nach der sie tanzen würden, dem libanesischen Unternehmer Kamal Atwan gehörte.
    Ein Diener öffnete ihnen und führte sie nach oben, vorbei an einem Renoir und einem Monet, bis sie in die prächtige Bibliothek gelangten. Atwan saß in einem Sessel, verfolgte Finanzdaten an seinem Bloomberg-Terminal und gab hin und wieder ein paar Zahlen ein. Als seine beiden Gäste eintraten, blickte er kurz auf, konzentrierte sich aber gleich wieder auf den Bildschirm.
    «Einen Augenblick noch, bitte», sagte er. «Diese Gelegenheit darf ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.» Er griff zum Telefon, um bei irgendeinem Börsenhandel anzurufen und sich bestätigen zu lassen, dass sein Kaufauftrag auch wirklich ausgeführt worden war. Nachdem die Transaktion getätigt war, erhob er sich, um Adrian und Harry zu begrüßen.
    «Schlau sein ist keine große Kunst, wenn der Rest der Welt beharrlich an der Dummheit festhält», erklärte er ihnen. «Wenn die Leute ihre Aktien zu so lächerlichen Preisen verschleudern,muss man das doch ausnutzen, finden Sie nicht auch?»
    «Aber unbedingt», erwiderte Adrian Winkler. «Ich hoffe nur, Sie haben Mr.   Fellows und mir auch noch ein bisschen was übrig gelassen.»
    Er lachte, und Atwan stimmte ein. Und Harry hoffte inständig, dass Adrian das nur als Scherz gemeint hatte.
    Atwan führte seine Gäste zu der Sitzgruppe am anderen Ende der Bibliothek und klingelte dann nach seinem Diener, um Kaffee bringen zu lassen. Der Libanese trug wieder seine schwarzen Samthausschuhe, die mit seinem Monogramm bestickt waren, dazu eine Hausjacke aus Samt und einen Krawattenschal. Harry war noch nie jemandem begegnet, der sich so kleidete. Das sah man sonst nur in alten Filmen.
    «Mr.   Fellows und ich werden zu einer kleinen Reise aufbrechen», sagte Adrian. «Da dachten wir, wir schauen vorher noch einmal kurz bei Ihnen vorbei.»
    «Das ist ganz außerordentlich reizend von Ihnen, mein Lieber, das muss ich sagen. Wohin verreisen Sie denn?»
    «Ans

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