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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Anruf auf Harrys Büroanschluss.
    «Es ist so weit, alter Junge», sagte der Stabschef des SIS. Mehr nicht. Und dann legte er wieder auf.
    Harry Pappas machte sich auf den Weg zu seiner Stellvertreterin Marcia Hill. Er ging durch den Empfangsbereich des Persischen Hauses, vorbei an dem grellbunten Konterfei des gemarterten Imam, und betrat Marcias Büro. Sie war geradedabei, sich die Nägel zu feilen, die, makellos lackiert, wie sie waren, kaum zu ihren schmalen, vom Nikotin verfärbten Fingern passen wollten. Manch andere Mitarbeiterin hätte diese Tätigkeit unterbrochen, wenn der Chef hereinkam, doch Marcia ließ sich nicht weiter stören.
    «Ich muss für ein paar Tage weg», sagte Harry. «Eine Woche etwa, vielleicht auch länger, das kann ich nicht so genau sagen. Baut nicht allzu viel Mist, während ich weg bin, ja?»
    «Ich werd’s mir merken.» Marcia musterte kritisch ihre Nägel und pustete den Feilstaub weg. «Wohin geht’s denn? Falls ich das überhaupt fragen darf.»
    «Erst mal nach London. Danach weiß ich noch nicht genau.»
    «Und was soll ich Ihren   … wie darf ich das formulieren   … Ihren ‹Kollegen› erzählen?»
    «Mein Gott, was weiß ich? Sagen Sie ihnen, ich wurde zu einem Einsatz abberufen. Sagen Sie ihnen, ich muss mich mit einem Agenten treffen, der nur mit mir reden will. Was immer Ihnen sinnvoll erscheint.»
    «Aber dass es sich dabei um Doktor Ali handelt, sollte ich wahrscheinlich nicht erwähnen?»
    «Nein. Wenn die anderen das zu ahnen glauben, dann sollen sie das meinetwegen tun. Aber ich will auf gar keinen Fall, dass irgendwelche offiziellen Nachrichten darüber ausgetauscht werden. Die Sache könnte ziemlich kompliziert werden.»
    «Inwiefern?»
    «Glauben Sie’s mir einfach, Marcia. Das Ganze hat mehr Haken als ein Fachgeschäft für Anglerbedarf.»
    Marcia strich ihm mit einem ihrer gelblich verfärbten, tadellosmanikürten Finger über den Arm. Das tat sie sonst so gut wie nie.
    «Sind Sie auch sicher, dass es der richtige Zeitpunkt zum Wegfahren ist, Harry? Am anderen Flussufer sitzen nämlich ein paar Leute, die in einer Woche einen Krieg mit dem Iran vom Zaun brechen wollen. Diesen Irrsinn wollten Sie doch eigentlich verhindern. Sie sind schließlich der Chef der Operationszentrale Iran, zumindest nach meinem letzten Informationsstand. Und   … Wir brauchen Sie hier.»
    Harry griff nach ihrer Hand.
    «Nun werden Sie mal nicht rührselig, meine Liebe. Der Admiral weiß, dass ich nicht einfach so von Bord gehe. Und Sie wissen das auch. Die Verrückten da mit ihrem Kriegsgetrommel sind doch gerade der Grund, warum ich wegmuss. Ich kann Ihnen das nicht genauer erklären, aber das muss ich wahrscheinlich auch gar nicht.»
    «Nein.» Marcia schüttelte den Kopf. Sie wusste, was er vorhatte, und sie wusste auch, weshalb er nicht darüber reden konnte. Sie war Harry von Herzen zugetan und machte sich Sorgen um ihn. Er trug eine viel zu große Last mit sich herum. Irgendwann würde er stolpern und sich ganz gewaltig wehtun.
    «Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Hilfe brauchen», sagte sie. «Das zumindest müssen Sie mir versprechen, Harry. Lassen Sie nicht zu, dass man Sie fertigmacht. Sie sind zwar gut, aber ein Superheld sind auch Sie nicht.»
     
    Bevor er das Büro verließ, schaute Harry noch einmal im siebten Stock vorbei, um sich vom Direktor zu verabschieden.Er wollte seinen Chef nicht hintergehen, ihn aber auch nicht zum Komplizen seines Alleingangs machen. Der Admiral saß in seinem Büro und blätterte in einem rotgestreiften Ordner mit internen Mitteilungen. Er hatte die weiße Sommeruniform der letzten Monate abgelegt und trug neuerdings wieder seine dunkelblaue Ausgehuniform. Echte Uniformfetischisten, diese Admiräle. Im nächsten Leben, beschloss Harry, würde er eine Reinigung in der Nähe eines Marinestützpunkts aufmachen.
    Harry steckte den Kopf zur Tür hinein. «Ich muss für ein paar Tag weg», sagte er. «Marcia leitet die Abteilung, während ich nicht da bin.»
    «Ist es so weit?» Der Direktor sah von seinen Papieren auf. «Haben Sie Ihren Mann dingfest gemacht?»
    «Möglicherweise. Wir werden sehen.»
    «Kann ich dem Weißen Haus Bescheid sagen?»
    «Mir wäre es lieber, wenn Sie das nicht täten. Die Sache ist nicht offiziell, sie kann uns jederzeit um die Ohren fliegen. Ich möchte nicht, dass außer mir noch jemand die Konsequenzen zu spüren bekommt. Auch Sie nicht.»
    Der Admiral gab ihm die Hand. Normalerweise zeigte er keine Gefühle,

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