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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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diesen albernen Drohgebärden auf. Es ist keineswegs nur dein Einsatz – ich dachte, das hätten wir längst geklärt. Dein Mann ist just in diesem Moment in den Händen meiner Leute. Dagegen kannst du jetzt nichts mehr machen. Du hast deine Entscheidung längst getroffen. Jetzt musst du auch damit leben, dass dir die Dinge aus der Hand genommen sind.»
     
    Harry betrat die Bibliothek mit dem Wissen, dass er sich den Käfig, in dem er saß, größtenteils selbst gezimmert hatte. Er hatte diese Maschinerie in Gang gesetzt und konnte sich jetzt kaum darüber beschweren, dass sie ihren Lauf nahm und Tempo und Richtung nach eigenem Gutdünken wählte.Harry hatte die Kontrolle an einen anderen Geheimdienst und dessen Netzwerk aus Menschen und Motiven abgetreten, weil er geglaubt hatte, sein großes Ziel nicht anders erreichen zu können. Nun musste er die Konsequenzen dieser Entscheidung tragen.
    Als sie wieder auf dem Sofa Platz genommen hatten, ergriff Harry als Erster das Wort.
    «Sie müssen entschuldigen, Mr.   Atwan. Ich habe einen langen Flug hinter mir und kaum geschlafen, und ich musste einfach erst ein paar Dinge mit meinem Kollegen klären. Der ursprüngliche Kontakt zu diesem Iraner bei Tohid stammt von mir, die Sache hat für mich also durchaus eine persönliche Dimension. Und ich schätze es nicht, wenn jemand meine Leute verpfeift, ohne mich vorher zu fragen. Aber Adrian hat mir versichert, dass ich mich zu hundert Prozent auf Sie verlassen kann, und ich vertraue ihm. Deshalb vertraue ich jetzt auch Ihnen. So ist das.»
    Damit reichte Harry Kamal Atwan die Hand. Sie hatten einander schon zuvor begrüßt, doch jetzt hielt der Libanese die Hand des Amerikaners gute zwanzig Sekunden lang fest. Er hatte schmale, aber kräftige Finger, fast wie ein Pianist.
    «Vertrauen braucht keine Worte, Mr.   Fellows», sagte Atwan, als er Harrys Hand schließlich wieder freigab.
     
    «Gut, meine Herren», setzte Adrian erneut an. «Dann gehen wir die Sache doch mal durch. Wie ich schon sagte, arbeitet unser iranischer Freund für Tohid, wobei es sich wiederum um eine der Firmen handelt, die Mr.   Atwan seit etlichen Jahren mit technischer Ausrüstung beliefert. Das birgt vieleMöglichkeiten, trägt aber auch einige Schwierigkeiten in sich.»
    Harry nickte, wollte aber ganz genau begreifen, worum es hier ging, um nicht in ein weiteres Fettnäpfchen zu tappen. Er wandte sich an Atwan.
    «Was für Ausrüstung haben Sie Tohid denn verkauft?», fragte er.
    «Technologisch hochwertiges Material. Etwa ein halbes Dutzend verschiedener Geräte, wenn ich mich recht entsinne. Adrian hat die entsprechende Liste. Ich bin mir aber relativ sicher, dass wir ihnen FX R-Röntgengeräte verkauft haben. Und verschiedene weitere Messapparate. Das Forschungsgebiet nennt sich Hydrodynamik, soweit ich weiß. Es geht um Stoßwellen und dergleichen. Ausgesprochen kostspielig.»
    «Davon bin ich überzeugt.» Harry winkte ab. Er verstand nicht viel von Geld und interessierte sich auch nicht dafür.
    «Aber Sie machen sich wirklich keine Vorstellung, mein Lieber. Bei solchen Geschäftsabschlüssen wechseln viele hundert Millionen Dollar den Besitzer. Der Preis für ein Gerät, das die Iraner unbedingt haben wollten, belief sich auf eine halbe Milliarde. Und wie soll man für solche Apparate überhaupt einen Preis festsetzen? Es geht dabei schließlich um Leben und Tod, mein Freund. Und so berechne ich   … berechnen wir ihnen alles, was dieses höchst ungewöhnliche Marktsegment hergibt. Und wir sind äußerst großzügig unseren Freunden und Geschäftspartnern gegenüber. Immer.»
    Harry fand diese thematische Wendung des Gesprächs grotesk. An jeder Branche, die auf der systematischen Bestechung anderer fußte, blieb zwangsläufig ein Rest Korruptionhaften, doch Kamal Atwan schien mit seinen Geschäftsabschlüssen eine ganz neue Dimension erreicht zu haben. Inzwischen fragte Harry sich schon gar nicht mehr, ob sein Freund Adrian Winkler an dieser Geschäftsidee beteiligt war – das schien ihm auf der Hand zu liegen   –, sondern nur noch, bis zu welcher politischen Ebene die Teilhaber des Unternehmens wohl noch hinaufreichten. Bis zu Sir David Plumb oder sogar noch höher? Harry legte wahrlich keinen Wert auf die Gesamtübersicht und konzentrierte sich lieber auf die Details.
    «Und wie verschicken Sie die Geräte? Doch sicher nicht von Großbritannien aus.»
    «Aber natürlich nicht, mein Lieber. Sie kommen von zahllosen verschiedenen

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