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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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baufälliges altes Strandhaus, das offenbar seit der Zeit des Schahs nicht mehr renoviert worden war. Es wirkte gänzlich verlassen.
    «Halten Sie an», sagte Mr.   Saleh. Er stieg aus dem Wagen und näherte sich langsam dem Haus. Auf dem Weg dorthin zog er einen Gegenstand aus der Innentasche seines Sakkos,nahm ihn in die Hand und hielt ihn mit ausgestrecktem Arm vor sich. Eine Pistole. Er trat an ein Fenster, spähte hinein und wiederholte dasselbe dann bei allen Fenstern, bis er sich überzeugt hatte, dass das Haus leer war. Dann kam er wieder nach vorn und öffnete das Garagentor.
    «Stellen Sie den Wagen hier ab», sagte er zu Molavi, «und kommen Sie dann ins Haus.»
     
    Zwei Stunden später fuhr ein Mercedes mit drei Insassen dieselbe Küstenstraße entlang. Er brauste an dem kleinen Esteghlal-Wimpel vorbei, hielt dann aber an der nächsten Querstraße. Zwei Personen stiegen aus: ein Mann aus Südostasien und eine Europäerin. Die Frau trug einen schwarzen Tschador und war auch darunter ganz in Schwarz gekleidet: Sie trug ein Ganzkörpertrikot, das Arme und Beine wie eine zweite Haut umschloss. Das blonde Haar hatte sie unter dem Schleier zu einem straffen Knoten gebunden. Der Mann war schlicht gekleidet, wie ein Bauer. Sein einziges Zugeständnis an die Moderne war die große Tasche, die er über der Schulter trug.
    Der Iraner, der am Steuer saß, fuhr weiter in Richtung Osten, und seine beiden Passagiere stapften zu Fuß durch das niedrige Gestrüpp am Ufer. Zwanzig Minuten später hatten sie das verlassene Strandhaus erreicht, in dem Molavi und sein Begleiter Zuflucht gesucht hatten.
    Die Frau im Tschador gab einen Laut von sich, der wie der Ruf eines Vogels klang. Nach zehn Sekunden wiederholte sie den Ruf noch einmal, diesmal lauter. Aus dem Inneren des Hauses kam derselbe Ruf zurück, dreimal in rascherFolge, und die Frau antwortete mit einem leisen, langgezogenen Pfiff. Die Haustür wurde geöffnet, und Jackie und Hakim glitten hinein. Hakim stellte seine schwere Tasche auf den Boden und öffnete sie. Darin lagen drei Maschinenpistolen.
    Molavi verfolgte das Schauspiel mit großen Augen. Sobald sie im Zimmer war, streifte die Frau ihren Tschador ab und trat in ihrem enganliegenden schwarzen Trikot auf ihn zu.
    «Doktor Ali, nehme ich an», sagte sie. «Ich hoffe, Sie haben kein Problem damit, einer Frau die Hand zu geben.»
    «Keineswegs.» Molavi strahlte. «Am liebsten würde ich Sie sogar küssen, Madam.»
    Jackie grinste. «Damit warten wir noch etwas, würde ich sagen. Erst mal müssen wir zusehen, dass wir Sie hier rausbringen.»
    Molavi sah die anderen an und wartete darauf, dass jemand etwas sagte. Doch als sie schwiegen, ergriff er selbst das Wort.
    «Und wohin geht es, wenn ich fragen darf?»
    «Wir werden eine kleine Bootsfahrt unternehmen, mein lieber Herr Doktor. In einem Fischerboot, würde ich sagen, einem von der Sorte, das seine Fischzüge erst nach Einbruch der Dunkelheit antritt. Für den Augenblick sollten wir also zusehen, dass wir uns ein bisschen ausruhen und eine Kleinigkeit essen, falls unsere Gastgeber so nett waren, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.»
    Damit ging sie in die Küche, wo sich Thunfisch in Dosen, ein Glas Mayonnaise und in Zellophan eingeschweißte Cracker fanden. Auf dem Boden stand eine Kiste mit Mineralwasser, im Schrank ein ungeöffnetes Glas Nescafé. Es warunmöglich festzustellen, ob diese Vorräte bereits seit dreißig Jahren dort standen oder erst in der Woche zuvor deponiert worden waren. Doch gerade darin lag ja die Faszination.

28   London
    Im Oktober redet man sich in Washington oft erfolgreich ein, die Freuden des Sommers wären noch nicht ganz vorbei. Die Bäume werfen zwar bereits ihre Blätter ab, doch die Menschen lassen sich dennoch nicht davon überzeugen, dass der Winter bereits vor der Tür steht. Vor allem nicht an den schönen Tagen, wenn der Himmel königsblau erstrahlt und die Luft aus einer anderen Jahreszeit zu kommen scheint. An einem solchen goldenen Herbsttag ist es im Grunde nirgends schöner als in Washington – doch für Harry Pappas war es allerhöchste Zeit aufzubrechen. London hielt ihn ständig auf dem Laufenden, und seit das
Increment
im Iran Stellung bezogen hatte, überschlugen sich die Neuigkeiten förmlich. Adrian hatte Harry versprochen, ihm sofort Bescheid zu geben, wenn es Zeit zum Aufbruch war, und genau das hatte er jetzt getan – nicht über irgendeinen verschlüsselten Nachrichtenkanal, sondern mit einem

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