Der Einsatz
ausleihen konnte, und er sah die Besitzer der Kebab-Stände, die den Passanten ihre Köstlichkeiten anpriesen.
Der Chef sagte dem Fahrer, er solle am Azadi-Denkmal am Rand des Flughafens abbiegen. Azadi heißt Freiheit. Ein schlechter Witz, denn der Schah hatte das Ding mit seinen vier massiven Säulen 1971 in der Hoffnung dorthin gestellt,dass es noch viele weitere Generationen von Pahlevi-Herrschern überdauern würde. Die Dynastie überlebte noch ganze acht Jahre. Der Vater des jungen Wissenschaftlers hatte in den verrückten ersten Tagen der Revolution vor diesem Denkmal gegen das Schah-Regime demonstriert, und die bärtigen jungen Männer hatten ihn
Ostad
genannt, was so viel hieß wie «verehrter Lehrer». Der junge Wissenschaftler war damals gerade erst auf der Welt gewesen, aber er hatte die Geschichte oft erzählt bekommen. Er wusste, dass die Revolutionsgarde, die Geheimpolizei und die anderen Wächter der neuen Ordnung gerade wegen dieser Episode ihr Vertrauen in ihn gesetzt hatten, obwohl er der alten Elite entstammte. Sie hatten ihn für ein Kind der Revolution gehalten, dessen Nahrung die Rache sein würde. Und damit hatten sie ja auch recht behalten, wenn auch nicht ganz in ihrem Sinne.
Die drei Männer brachten den jungen Wissenschaftler in ein von Mauern umgebenes Gelände an der Resalat-Schnellstraße nördlich des Flughafens, das ihm bisher noch nie aufgefallen war. Am Eingang zu dem Komplex standen zwei bewaffnete Wachen, die den Wagen zum nächsten Kontrollpunkt weiterwinkten. Hier wurde der junge Wissenschaftler gründlich gefilzt. Er musste seine Taschen komplett ausleeren und alles, was er bei sich trug, auf einen Tisch legen: Stifte, Portemonnaie, Brille. Dann wurde er ausführlich abgetastet, doch auch damit gaben sie sich noch nicht zufrieden. Man brachte ihn in einen Nebenraum, wo man ihm sagte, er solle die Hose herunterlassen. Das war höchst ungewöhnlich. Nicht einmal an Orten mit der höchsten Geheimhaltungsstufe musste man sich einer derartig entwürdigendenBehandlung unterziehen. Während ein Wachmann ihn untersuchte, stellte sich der junge Wissenschaftler vor, dass ihn ein unsichtbarer Mantel umgab, von dem ihm sein Vater früher oft erzählt hatte: ein Mantel, gesponnen aus den Fäden der Angst, unter dem er gleichermaßen Schutz und Trost finden konnte.
Das Büro war modern eingerichtet und sah aus wie das Sprechzimmer eines Arztes. Der Beamte, der das Verhör führte, saß hinter einem Schreibtisch aus Teakholz und musste über einigen Einfluss verfügen, denn er hatte die neueste Ausgabe des
Economist
und eine
International Herald Tribune
vom Vortag vor sich liegen. Als der junge Wissenschaftler den Raum betrat, tippte der Beamte gerade ein paar Worte auf seiner Computertastatur, schaute dann auf einen Flachbildschirm und lächelte. Vielleicht hatte er sich noch schnell ein paar Anweisungen für das Verhör geholt.
Der Beamte blickte von seinem Monitor auf. Er hatte einen akkurat gestutzten Spitzbart, mit dem er ein wenig an einen Jazzmusiker erinnerte, und wandte sich mit einem seltsam freundlichen Funkeln in den Augen dem jungen Wissenschaftler zu.
«Ich grüße Sie, hochverehrter Herr Doktor», sagte er und stellte sich seinerseits als Inspektor Mehdi Esfahani vor. Dann zeigte er dem jungen Mann seinen Ausweis vom Ettelaat-e Sepah, dem Geheimdienst der Revolutionsgarden, als würde das alles legitimieren, und wirkte dabei so vergnügt, als müsste er mit aller Gewalt ein Kichern unterdrücken. Dann schaute er noch einmal auf den Bildschirm und lachte laut los.
«Tut mir leid, aber mögen Sie Witze? Amerikanische Witze aus dem Internet. Witze über dumme Blondinen oder über Priester, Rabbis und Minister? Und natürlich über Leute, die sie ‹Rednecks› nennen. Ich sammele amerikanische Witze, müssen Sie wissen. Die Leute schicken sie mir von überall her zu. Sogar aus Amerika selbst. Können Sie sich das vorstellen? Also mögen Sie sie, die Witze aus dem Internet?»
Der junge Wissenschaftler wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Es war eine wirklich seltsame Frage. Was war die richtige Antwort darauf?
«Ja, schon, würde ich sagen. Ich bekomme ja nicht viel davon mit. Meine Arbeit …»
«Ja, ich weiß. Ihre Arbeit. Aber Sie nutzen das Internet doch auch, oder?»
«Nur für Arbeitszwecke.» Worauf wollte der Mann hinaus? Wusste er etwas? Das Verhalten des Beamten war so merkwürdig, dass sich das nicht recht sagen ließ.
«Redneck-Witze mag ich
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