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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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katakombenartigeGebäude, in dem die CIA untergebracht war, zu hören war. Er warf sich zu Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Seine Kollegen versuchten ihn zu beruhigen, doch es gelang ihnen nicht. Er musste mit einem Freund reden, einem, dem er vertraute und der nicht in diesen Kreis von Betrug und Tod gehörte.
    Harry rappelte sich auf und ging zu Adrian Winkler, dem Stationschef des britischen SIS. Als er dort war, schloss er die Tür hinter sich und fing an zu schluchzen. Und dabei wiederholte er immer und immer wieder denselben Satz: «Es ist meine Schuld.»
     
    Kurz vor Morgengrauen gelang es Harry doch noch, ein paar Minuten zu schlafen. Er wachte auf, als Andrea draußen seinen Namen rief. Sie hatte ihn im Badezimmer gesucht, unten in der Küche, sogar im Partyraum im Keller, und wäre nie auf die Idee gekommen, dass er in Alex’ Zimmer sein könnte. Er öffnete die Tür und rieb sich die Augen.
    «Was machst du denn dadrin?», fragte sie.
    «Ich konnte nicht schlafen», erklärte Harry. «Ich wollte dich nicht stören.»
    «Was ist denn bloß los?», wollte Andrea wissen.
    «Ach, Andrea», begann Harry und schüttelte den Kopf. «Sie werden es wieder tun.»
    «Wer wird was wieder tun?»
    Er blickte zur Seite und sagte mit matter Stimme: «Ich darf nicht darüber reden.»
    Andrea nahm für einen Augenblick seine Hand und ließ sie dann wieder los.
    «Du musst etwas unternehmen, Harry», sagte sie voller Mitgefühl. «Was immer es auch ist, es frisst dich auf. Du musst unbedingt etwas tun.»
    «Ich weiß», sagte er. «Und das werde ich auch.»
     
    Harry musste mit jemandem reden, dem er vertraute. Er ging eine Liste im Kopf durch. Sein bester Freund aus alten Tagen war der frühere Chef der Nahostabteilung – ein kleiner, quirliger Mann, der Harry in seiner ersten Zeit bei der CIA sehr geholfen hatte. Er war direkt und furchtlos und verabscheute Leute wie Arthur Fox mindestens ebenso sehr wie Harry. Als Harry aus dem Irak zurückgekommen war, hatte er ihm den Rat gegeben, seine Karriere an den Nagel zu hängen. Jetzt lebte er in Williamsburg, und wenn er einmal nach Washington kam, lud er Harry zum Frühstück in seinen Club ein und wollte von ihm hören, was die neue Truppe bei der CIA wieder alles verpatzt hatte. Harry mochte ihn sehr, aber er war sich nicht sicher, ob sein Freund auch wirklich den Mund würde halten können.
    Der bessere Gesprächspartner war wohl Harrys Exchef Jack Hoffman, der früher einmal stellvertretender Direktor gewesen war. Hoffman hatte sein halbes Leben bei der CIA verbracht, bei der auch seine Brüder, einige seiner Cousins und sein Onkel gearbeitet hatten. Jack hatte es länger ausgehalten als sie alle, doch in diesem Laden überlebte niemand ewig, und so wurde auch Jack schließlich vom Weißen Haus abgesägt, als einer der Sündenböcke, die für das Desaster im Irak den Kopf hinhalten mussten. Im Großen und Ganzen hatte Jack sich aber als loyal erwiesen und Harry währendder vielen Monate, in denen er beim Weißen Haus untendurch war, die Stange gehalten. Kurz bevor man ihn in den Ruhestand schickte, hatte er sogar versucht, Harry einen Orden zu verleihen, den dieser aber vehement abgelehnt hatte. Der Gedanke, dass er für seine Zeit im Irak auch noch geehrt werden sollte, hätte sein schlechtes Gewissen Alex gegenüber ins Unerträgliche gesteigert.
    Harry nannte seinen einstigen Vorgesetzten immer nur «Mr.   Hoffman» und niemals beim Vornamen. Hoffman hatte das Auftreten eines Mafioso im Ruhestand. Er gab sich knallhart und redete immer Klartext, aber er konnte Geheimnisse für sich behalten. Wenn man ihm während seiner Dienstzeit befohlen hätte, mit dem Schiff unterzugehen, dann hätte er das ohne Widerrede getan. So war er eben. Und als Harry ihn an diesem Morgen zu Hause in McLean anrief, sagte er, er habe gerade im Garten gearbeitet und würde sich freuen, Harry zu sehen. Er schlug vor, sich in einem Café am Tyson Corner zu treffen, direkt neben einer Reihe schicker Modeboutiquen. Dort waren sie ungestört, niemand würde ihnen zuhören.
     
    Als Harry das Café betrat, saß Hoffman bereits dort. Er war etwas früher gekommen und hatte sich schon einmal umgesehen. Genau nach Vorschrift, wie immer. Er saß in einer Ecke, wo er einen guten Blick auf die Tür und das Louis-Vuitton-Geschäft gegenüber hatte, und hielt eine nicht angezündete Zigarre in der Hand. Harry setzte sich neben ihn. Die zierlichen Stühle waren eher für Frauen gedacht, die

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