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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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seinen Chef dankbar an. Das war das Beste, was er bekommen würde.
    «In Ordnung», sagte er.
    «Wissen Sie was, Harry?», fragte Fox. «Wäre es nicht besser, Ihren Freund noch ein wenig auszufragen, anstatt ihn überstürzt da rauszuholen? Wenn der Kerl wirklich eine so wunderbare Quelle ist, wie Sie sagen, warum können Sie ihn dann nicht aufspüren? Und warum finden Sie keinen Weg, ihn besser zu nutzen? Warum kriegen Sie nicht heraus, was da drüben wirklich vor sich geht? Für mich ist das alles nichts weiter als eine gigantische Zeitverschwendung.»
    «Leck mich doch», murmelte Harry kaum hörbar vor sich hin. Er hätte gern etwas erwidert, aber er hielt sich zurück. Jetzt musste er vorsichtig sein. Er musste sich unsichtbar machen und einen Platz schaffen, an dem er ungestört arbeiten konnte. Diese Leute hörten ihm nicht zu. Er kannte das nur allzu gut und wusste, wie es enden würde.
     
    Am späten Nachmittag öffnete Harry den Ordner auf dem GoogleMail-Account von ‹iranmetalworks›, schrieb eine Nachricht und sicherte sie. Die Nachricht lautete:
     
    Wir sind schon dabei, den Urlaub zu planen. Die Tickets bringen wir Ihnen persönlich vorbei. Seien Sie vorsichtig bei der Kälte und waschen Sie sich regelmäßig die Hände, damit Sie keine Grippe bekommen.

19   Washington
    Harry Pappas wälzte sich so sehr im Bett hin und her, dass Andrea ihn schließlich fragte, was denn los sei. «Ich habe Rückenschmerzen», log er und sagte ihr, sie solle weiterschlafen. Er lag eine weitere Stunde wach, dann stand er auf und ging in Alex’ altes Zimmer. Es hatte den abgestandenen, leeren Geruch eines Raumes, den keiner mehr betrat. Andrea hatte es nach der Beerdigung putzen und die Sachen ihres toten Sohnes in den Keller räumen wollen. Das war ihre Art des Abschiednehmens, doch Harry war dagegen gewesen. Er wollte, dass das Zimmer so blieb, wie es war.
    Der Schnickschnack, den Alex seit seiner Kindheit angehäuft hatte, füllte noch immer den ganzen Raum: eine Fahne der Washington Redskins von einem ihrer Meisterschaftsspiele, zusammen mit einer Schweineschnauze aus Schaumstoff, die das Symbol für den «Hogs» genannten Angriff des Football-Teams war, Pokale und Urkunden, die erbeim Schulsport gewonnen hatte, ein Segelbootmodell aus Balsaholz, das Harry und Alex gemeinsam aus einem Bausatz zusammengebaut hatten. Über dem Bett hingen ein Wimpel aus Princeton, wo Alex ab September 2001 ein Jahr lang studiert hatte, bevor er zu den Marines gegangen war, und eine Fotografie, die ihn in Uniform zeigte, als er gerade seine Grundausbildung beendet hatte.
    Die Farben des Bildes waren im Lauf der Zeit verblasst. Das Blau war heller, das Rot matter und das Grün gelblicher geworden. Alex blickte auf dem Foto wild und entschlossen, eher eine Kampfmaschine als ein zerbrechlicher junger Mann, doch Harry konnte immer noch lesen, was in seinen Augen stand: Bist du stolz auf mich, Dad? Reicht dir das?
    Harry legte sich auf das Bett und schloss die Augen. Er wollte hier bis zum Morgengrauen liegen bleiben, um Andrea nicht mehr zu stören. Auf dem Nachttisch stand ein Bild von ihm und Alex, auf dem er stolz den Arm um seinen Sohn gelegt hatte, der gerade sein Highschool-Team zum Sieg bei der Football-Jugendmeisterschaft von Nord-Virginia geführt hatte. Alex war genauso groß wie Harry, aber schlanker und hellhäutiger. Hatte Gott jemals einen hübscheren Jungen erschaffen? Harry drehte das Foto erst um, dann nahm er es wieder in die Hand und betrachtete es eingehend. Es lag ein Glanz auf Alex’ Gesicht, ein Siegerstrahlen, das Harry selbst jetzt noch zum Lächeln brachte, als er an das Spiel zurückdachte. Und dann spürte er, wie ihm die Tränen kamen.
     
    Alex war in Ramadi stationiert gewesen, der Hauptstadt der Provinz Anbar. Der Aufstand war damals in vollem Gang, und kein Amerikaner konnte sich frei bewegen, ohne sein Leben zu riskieren. Washington wollte das nicht wahrhaben und die Führung der Marines leider auch nicht. Ein paar Monate zuvor war Harry Stationschef in Bagdad geworden, und ein Freund im Pentagon hatte ihm vorgeschlagen, Alex an einen sicheren Ort zu versetzen. Harry hatte das Angebot nicht angenommen, denn Alex wäre sicher außer sich vor Zorn gewesen, wenn man ihn aus seiner Truppe herausgelöst hätte. Er war inzwischen Hauptgefreiter und diente bei einer Aufklärungseinheit, die nur die härtesten und gefährlichsten Aufgaben übertragen bekam. Das Marinecorps wollte, dass er sich für die

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