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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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modifiziertem Hartplast, das die Dichte von Eisen und somit einige Schlagkraft hat, jedoch völlig nichtmagnetisch ist. Eingefahren ist der Stock ein etwa zwölf Zentimeter langer Zylinder mit dem richtigen Durchmesser, um ihn bequem packen zu können. Ein Ruck mit dem Handgelenk, und er fährt mit einem Dreifachklick auf eine Länge von dreißig Zentimetern aus, wobei auch die Spitze noch genügend Masse hat, um Knochen brechen zu können.
    Rangers Miene verfinstert sich noch mehr. Er knurrt etwas, das verdächtig nach Scheißwas? klingt, und wirft sich dann vorwärts. Seine rechte Hand verschwindet hinter seinem Rücken und taucht mit einer Kompositklinge wieder auf, seinem ganz persönlichen nicht-metallischen Holdout-Äquivalent.
    Ich greife auf die Talentsoft zurück, und die brutale Einfachheit des Escrima erfüllt mich. Escrima stammt von den Philippinen, und ich würde es nicht als Kampfsportart bezeichnen, weil es nichts Sportliches an sich hat. Es gibt keine Manieren, keine offiziellen Regeln oder Wettkämpfe. Es ist ungefähr so brutal und pragmatisch wie die militärische Art der Selbstverteidigung, die auf der Akademie gelehrt wird, für meine Erfordernisse jedoch besser geeignet, weil es grundsätzlich davon ausgeht, daß der Gegner bewaffnet ist. Mit Ausnahme des balinesischen ›Schmetterlingsmessers‹ ist die einzige Waffe, deren Gebrauch Escrima lehrt, ein kurzer Stock oder Stab - die Art ›Gelegenheitswaffe‹, die man praktisch überall findet -, der zufällig ungefähr dieselbe Größe wie mein Klick-Stock hat. Welch ein Zufall.
    Als Ranger losprescht, ziehe ich meinen Klick-Stock. Ein Ruck meines Handgelenks, klick-klick-klick, und ich bin kampfbereit. Ich will irgendwas Cooles knurren, irgendwas wie: »Also gut, Bubi, mal sehen, was du draufhast«, aber mir bleibt nicht mal annähernd genug Zeit.
    Er kommt geduckt auf mich zu und setzt zu einem geraden, direkt auf meinen Bauch gezielten Stoß an, eines der Manöver mit einem Messer, die am schwierigsten abzuwehren sind. Ich springe einen halben Meter rückwärts, fange sein Handgelenk in der Klammer, die von meiner linken Hand und dem Klick-Stock in meiner rechten gebildet wird, und lenke den Stoß links an mir vorbei. ( Knapp vorbei: Ich spüre, wie die Klinge an meinem Hemd zupft.) Dann führe ich einen raschen Rückhandschlag mit dem Stock gegen seinen Kopf. Das scharfe Knacken, als der Stock Rangers Stirn trifft, hallt durch den Raum, und Blut spritzt aus seiner Kopfhaut. Einen Augenblick lang ist er erstarrt, die Augen sind blicklos und weit aufgerissen. Es wäre so leicht, die Spitze des Stocks in seine Kehle zu rammen, ihm das Zungenbein und den Kehlkopf zu zerschmettern und dann einfach abzuwarten und zuzusehen, wie er stirbt. Leicht und auf lange Sicht wahrscheinlich auch ein kluger Zug.
    Aber im Augenblick wahrscheinlich politisch nicht der geschickteste Zug. Jemanden bei einer Versammlung zu töten, wird irgendwie nicht gern gesehen und ist kaum der beste Weg, sich Freunde zu machen und Leute zu beeinflussen. Anstatt in die Kehle ramme ich ihm den Stock in den Solar Plexus, aber nicht annähernd so hart, wie ich eigentlich will. Er sagt uff, setzt sich abrupt auf den Hintern - wobei er seinen Stuhl um mindestens einen Meter verfehlt, ach, wie bedauerlich - und hört ganz einfach auf, den Vorgängen weiterhin Aufmerksamkeit zu schenken.
    Aus dem Augenwinkel sehe ich etwas wie eine lederbedeckte Wand seitlich auf mich zukommen. »Alles cool«, sage ich rasch zu Box, indem ich mich von Ranger entferne. So cool wie möglich stoße ich die Stock-' spitze gegen die Stahlbetonwand des Besprechungsraums, um die Muffen zu lockern, dann schiebe ich ihn zusammen und lasse ihn zurück in die Tasche gleiten. Mit leicht erhobenen und sichtlich leeren Händen wende ich mich an Blake. »Was sagten Sie gerade?« frage ich.
    Einen Augenblick lang verziehen sich die Lippen des großen Mannes zu etwas, das ein Lächeln sein könnte. Sein Laserblick ist unverwandt auf mein Gesicht gerichtet. Er hat mit so etwas gerechnet, wird mir plötz-lieh klar. Er hat den ganzen Vorfall als eine Art Prüfung inszeniert. Aber als Prüfung für wen? Für mich oder für Ranger? Wenn für mich - habe ich bestanden oder bin ich durchgefallen? Durchgefallen, weil ich Ranger aufgestachelt habe, oder bestanden, weil ich ihn besiegt habe? Wer weiß?
    »Ich sagte, du hast gegen den Krieg gestimmt«, sagt Blake so kühl, als sei nicht das geringste vorgefallen.

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